Was ist da los? Ist da was los?

Wieder einmal gibt es Seltsamigkeiten zu berichten:

Ich bin heute immer wieder auf Meldungen zu den Sterbezahlen aus Deutschland gestoßen. Da gab es ja laut destatis 2022 so viele Todesfälle wie noch nie zuvor, ist zu lesen.

Ich wollte mir das für Österreich anschauen – meine Daten stammen von der Statistik Austria.

Absolute Zahlen

Nach Kalenderwochen

Das sind die letzten 20 Jahre in einer Grafik, in absoluten Zahlen. Demnach gab es niemals mehr Todesfälle in einer Woche als in der KW 49 im Jahr 2020. Damals starben in einer Woche 2.544 Menschen in Österreich. Das waren 0,028% der Bevölkerung – das ist einer von 3.571 Menschen in Österreich.
Zur Einordnung: Im Schnitt starben in den Jahren 2000 bis 2019 zwischen 1.338 (KW 36) und 1.691 (KW 06) Menschen in den einzelnen Wochen.
Auch die KW 47, 48 und 50 im Jahr 2020 gehören zu den Top 5 aller Wochen seit dem Jahr 2000. Die einzige Woche, die hier nicht aus der Pandemiezeit ist, ist die KW 02 aus dem Jahr 2017 – damals starben 2.340 Personen. Auch die erste Kalenderwoche war damals sehr hoch, mit 2.293 Todesfällen ist sie bis heute die Nummer sechs seit dem 1. Jänner 2000.
Danach folgen noch einmal zwei Wochen aus dem Jahr 2020 – Die KW 46 und die KW 51. Und jetzt kommt plötzlich eine Woche (dunkelrote Linie) aus dem Jahr 2022. Wenn die Daten so stimmen (das sind die jüngsten Daten der Statistik Austria und oft verändern sich diese noch maßgeblich in den ersten Wochen danach), dann war die Woche vor Weihnachten 2022 die Nummer 9 aller Wochen seit dem Jahr 2000!

Noch einmal zurück zu 2020: In der „schlimmsten Woche“, der KW 49 starben ja 2.544 Menschen. Wie viele davon waren offizielle Covid-Todesfälle? Dazu gibt es – leider – drei Antworten:

  • Wenn wir die tagesaktuellen Meldungen anschauen – also die Zahlen, die die AGES am Montag, den 7. Dezember direkt nach der KW 49 veröffentlicht hat, dann wurden in der KW 49 genau 855 Todesfälle an oder mit Covid gemeldet.
  • Schauen wir uns die Daten am 31. Dezember an, dann sind es „nur mehr“ 769 – offensichtlich wurden damals fast genau 10% der in dieser Woche gemeldete Fälle nachträglich anderen, früheren Wochen zugeordnet.
  • Blicken wir jedoch auf die aktualisierten Daten von HEUTE, dann sind es plötzlich 928 – darin enthalten sind auch alle „Umetikettierungen“ vom 20. April 2022, als über 3.000 „andere Todesfälle“ offiziell posthum zu Covid-Todesfällen erklärt wurden.

Wären alle offiziellen C19-Todesfälle aus dieser Woche reine „Übersterblichkeit“ – das hieße alle sind „Opfer“ von Corona und wären sonst in der Woche danach noch am Leben gewesen, dann hätten wir je nach Datenstand in der KW 49 nicht 2.544 Todesfälle gehabt, sondern zwischen 1.616 und 1.775. Selbst diese Zahlen wären noch die höchsten, die es bis dahin in dieser Kalenderwoche gegeben hat seit dem Jahr 2000!

Schnitt der Jahre 2000 bis 2022

Wir können nicht einfach alle Kalenderwochen eines Jahres zusammenzählen und eine Jahressumme berechnen, da die erste und letzte Woche des Jahres fast immer „gemischte“ sind, weil das Jahr ja nicht immer an einem Montag beginnt und an einem Sonntag endet. Was wir machen können, ist den Wochenschnitt jedes Jahres auszurechnen – wie viele Menschen starben also pro Kalenderwoche im betreffenden Jahr?

Wir sehen eine klare „Tendenz“: Waren es von 2000 bis 2011 immer zwischen 1.423 und 1.480 Todesfälle pro Woche im Schnitt, so stiegen diese Zahlen ab 2012 an. Nach 2015 gab es nur mehr ein Jahr (2016) wo der Schnitt unter 1.500 lag. Und dann kam 2020 und die Zahlen stiegen im SCHNITT um 200 Todesfälle pro Woche an! Das blieb 2021 fast gleich hoch. Und jetzt ist 2022 praktisch beendet (eine Woche fehlt, das heißt hier sind die ersten 51 Kalenderwochen für den Schnitt herangezogen) und es sieht so aus, als wäre 2022 mit 1.748 Todesfällen das Jahr mit den meisten Todesällen pro Kalenderwoche seit 2000! Das sind mehr als 325 mehr als im Jahr mit dem niedrigsten Schnitt (2004).

Zahlen pro 100.000

Kalenderwochen

Das ist die gleiche Grafik wie weiter oben, nur ist hier das Bevölkerungswachstum berücksichtigt. Die Zahlen sind pro 100.000 EW berechnet. Was sind die Hauptunterschiede neben der Tatsache, dass die Zahlen dadurch natürlich viel kleiner sind?

  1. Die KW 51 von 2022 ist ganz knapp nicht mehr unter den Top10: Weiter ist die Zeit von KW 47 bis KW 50 im Jahr 2020 die mit den höchsten Zahlen – auch die KW 2 aus dem Jahr 2017 bleibt ganz oben dabei. Dann folgen – neben weiteren zwei Wochen aus dem Jahr 2020 – aber gleich zwei rund um den Jahreswechsel 2016 und 2017, wo es eine wirklich starke Grippewelle gab. Erst an elfter Stelle taucht die KW 51 von 2022 auf.
  2. Die „Sommerwerte“ von 2022 sind nun nicht mehr alleine ganz oben zu finden – Nur in der KW 30 ist das Jahr 2022 das mit den meisten Todesfällen. Bei den absoluten Zahlen war es das von KW 29 bis KW 31 durchgehend.
  3. Das Jahr 2020, das bei den absoluten Zahlen von KW 02 bis KW 17 durchgehend über dem Schnitt seit 2010 lag, ist jetzt nur mehr in der KW 5 und von KW 12 bis KW 16 über dem Schnitt (gestrichelte hellblaue Linie).
  4. Apropos Schnitt: Die beiden Schnitt-Werte (dunkelblau = Schnitt von 2000 bis 2022, hellblau ist Schnitt von 2010 bis 2022) sind nun viel näher beisammen, weil die steigende Bevölkerungszahl mit berücksichtig wurde.

Wochenschnitt

Der Wochenschnitt hat sich stark verändert. Durch das Anpassen an die Gesamtbevölkerung sind nun vor 2020 vor allem die Jahre 2000, 2001 und 2015 „starke“ Jahre. Der Anstieg auf 2020 ist jedoch ähnlich hoch – von 2019 auf 2020 betrug er in absoluten Zahlen etwa 9,7%, relativiert sind es 9%. Durch die Relativierung sind die Zahlen von 2021 niedriger als die von 2020, 2022 bleibt aber gleich wie bei den absoluten Zahlen klar die Nummer eins in Sachen Todesfälle.

Die Wintersaisonen

Ich habe oben schon bei den „Spitzenwochen“ über den Winter 2016/17 gesprochen, wo es eine besonders starke Grippewelle bei uns gab. Damit so etwas besser sichtbar wird und das Ganze nicht durch den Jahreswechsel „verschleiert“ wird, habe ich die Jahre noch einmal anders dargestellt – sie beginnen nun mit der KW 20, was ungefähr Anfang Mai entspricht und enden mit der KW 19 des folgenden Jahres:

Eine Besonderheit ergibt sich nun noch für die Jahre 2004, 2009, 2015 und 2020, in denen es 53 Kalenderwochen gab. damit hier nicht ein „Loch“ entsteht in der Grafik, sind die Werte der anderen Jahre mit einer fiktiven Linie verbunden. Darum sind die rote Linie von 2021 und die pinke von 2016 gepunktet – diese sind einzeln oben zu sehen und fallen daher mehr auf als alle anderen.

Es ist nun besser zu erkennen, dass es 2016/17 eine besonders hohe „Welle“ gab, die von KW 50 bis KW 06 auch 8 Wochen lang andauerte.

Auch wenn wir die Zahlen relativieren (pro 100.000), bleibt das so, es wird sogar noch auffälliger.

Altersstandardisierung

Es gibt bei der Statistik Austria noch Zahlen, die altersstandartisiert sind – was heißt das?

Unter dem Begriff „Altersstandardisierung“ versteht man in der Medizin ein statistisches Verfahren zur Herstellung einer Vergleichbarkeit von zwei oder mehr Untersuchungsgruppen, welche eine unterschiedliche Alterszusammensetzung aufweisen. Damit können altersabhängige Einflüsse ausgeschaltet werden, wenn diese Gruppen in Bezug auf ein altersabhängiges Merkmal (zum Beispiel das Auftreten einer bestimmten Erkrankung, Sterblichkeit) verglichen werden sollen.

https://www.gesundheit.gv.at/lexikon/A/altersstandardisierung.html

Wenn ich die Sache richtig verstehe, wird dafür eine Bevölkerung, die 2013 von der EU definiert wurde, herangezogen und die Zahlen werden quasi mit dieser Standardbevölkerung gewertet.

Hier seht ihr die Unterschiede in Österreich (grün und blau für 2013 und 2022) zur „EU-Standardbevölkerung“ (rot). Demnach haben wir derzeit zu wenige Menschen von 5 bis 30 Jahren und auch von 40 bis 50 Jahren, dafür zu viele in den Altersgruppen 25-35 Jahre und 50 bis 65 Jahre.

Auch bei den älteren Menschen zwischen 65 und 90 Jahren weicht die Bevölkerungsverteilung bei uns durchaus ab von der „Standardbevölkerung“ die durch die EU definiert wurde. Ob das zu Verzerrungen führt, ist mir nicht klar. Trotzdem habe ich auch diese Zahlen dargestellt:

Bei der jahresübergreifenden Statistik mit den einzelnen Kalenderwochen sticht so die Saison 2002/2003 (hellgelb) heraus mit den bei weitem höchsten Werten überhaupt in den Kalenderwochen 08 bis 10, also im März 2003. Aber auch davor gab es in diesem Zeitraum in der KW 25 im jahr 2002 die höchsten Werte aller Jahre in der warmen Jahreszeit. Die Pandemiejahre sind mit diesen Daten kaum mehr zu erkennen, mit Ausnahme des Herbst 2020 (dunkelgelb).
WICHTIG: Hier fehlen die KW 50 und 51 des vergangenen Jahres 2022 noch! Daher ist der markante Anstieg bis KW 51 dort (noch) nicht zu sehen.

Was durch die Altersstandartisierung noch passiert, sehen wir bei den Durchschnittswerten für die Jahre (in dem Fall nicht mehr der Zeitraum Mai bis April, sondern zum Vergleichen mit oben auch hier die Werte pro Kalenderjahr).
Wir sehen sofort: Mit dieser Darstellungsform sinkt die Sterblichkeit kontinuierlich ab bis 2019, steigt dann etwas an im Jahr 2020 und sinkt seitdem wieder – allerdings sehr langsam – ab. Sollten die Werte allerdings auch hier übernommen werden für die KW 50 und 51, gehe ich davon aus, dass es für 2022 eher noch zu einem leichten Anstieg kommen wird.

FAZIT

Es ist kompliziert mit den Sterbezahlen. Denn nur die reinen Zahlen heranzuziehen ist nicht richtig, da ja die Bevölkerungszahl immer weiter anwächst. Es reicht vielleicht auch nicht, einfach die Zahlen pro 100.000 EW zu verwenden. So haben sich in Sachen Altersverteilung alleine von 2013 bis 2022 durchaus Unterschiede ergeben (siehe zweitletzte Grafik oben), die relevant sind. Denn wenn immer mehr hochbetagte Menschen in Österreich leben, sterben in dieser Altersgruppe, die sowieso den Löwenanteil bei den Todesfällen stellt, auch immer mehr Menschen. So hat sich etwa der Anteil der Menschen ab 95 Jahren von 2013 bis 2022 fast verdoppelt – trotz Pandemie und Grippewellen.

Absolut gesehen am meisten nach unten verändert haben sich die Zahlen bei den 40-55-Jährigen, weil die geburtenstarken Jahrgänge jetzt 55-69 Jahre alt sind – das hat dort zu den höchsten Anstiegen geführt. Prozentuell gesehen ist es jedoch so, dass der Anstieg bei den allerältesten am größten ist und dort mehr als 81% ausmacht! Und spätestens in 40 Jahren, wenn die Menschen in den geburtenstärksten Jahrgängen in Österreich, die jetzt 50-60 Jahre alt sind, zu den ältestens zählen, werden die Todeszahlen EXTREM ansteigen – falls die nicht alle vorher schon sterben an Pandemien, Klimaerwärmung, Umweltgiften, Krankheiten, Kriegen oder anderem.
Was sicher spannend wird, sind die Zahlen der Todesfälle der einzelnen Altersgruppen im Jahr 2022, welche jedoch nicht vor Februar verfügbar sein werden. Und dann warten wir auf den Sommer 2023, wenn die Todesursachen dazu veröffentlicht werden. Ob es auch 2023 wieder eine „Wir haben ja noch ganz viele unentdeckte Covid-Todesfälle-Umetikettierung“ geben wird?