Was hat die AGES mit den Daten gemacht?

Vorwort

Seit vielen Wochen schon macht die AGES „Berechnungen“, die Auskunft darüber geben sollen, wie die verschieden oder auch gar nicht „immunisierten“ Bevölkerungsgruppen am „Infektionsgeschehen“ beteiligt sind.

Im Herbst letzten Jahres war als „Einleitung“ zu diesen wöchetnlich erscheinenden Berichten folgendes zu lesen in ebendiesen:

Es konnte mittlerweile nicht nur in klinischen Studien, sondern auch in zahlreichen bevölkerungsbasierten epidemiologischen Studien in vielen Teilen der Welt eindeutig belegt werden, dass COVID-19-Impfungen eine hohe Schutzwirkung gegenüber COVID-19 bieten und sicher sind: Die COVID-19-Impfung schützt geimpfte Personen vor der Erkrankung, deren Umfeld und führt im Falle einer COVID-19 Erkrankung in der Regel zu einem milderen Krankheitsverlauf. Schwere Verläufe, Krankenhausaufenthalte, Aufenthalte auf Intensivstationen und Erkrankungen mit tödlichem Ausgang können weitgehend vermieden werden.

„Symptomatische Fälle nach Kategorie des vermuteten Immunschutzes“, AGES, am 3. Dezember 2021

In diesem ersten der Berichte gehen die Daten zurück bis zur KW 42 des vergangenen Jahres, das war die Woche vom 18. Oktober 2021 weg. Seither ist viel passiert, Omikron hat vieles verändert und viele davor aufgestellten Thesen und Aussagen in Frage gestellt oder über den Haufen geworfen. Kein Wunder also, dass die Einleitung der letzten Ausgabe dieses Berichtes anders lautet:

Es konnte mittlerweile nicht nur in klinischen Studien, sondern auch in zahlreichen bevölkerungsbasierten epidemiologischen Studien in vielen Teilen der Welt eindeutig belegt werden, dass COVID-19-Impfungen eine hohe Schutzwirkung gegenüber COVID-19 bieten und sicher sind: Die COVID-19-Impfung schützt geimpfte Personen vor der Erkrankung, deren Umfeld und führt im Falle einer COVID-19 Erkrankung in der Regel zu einem milderen Krankheitsverlauf. Schwere Verläufe, Krankenhausaufenthalte, Aufenthalte auf Intensivstationen und Erkrankungen mit tödlichem Ausgang können weitgehend vermieden werden.

„Fälle und Inzidenz der SARS-CoV-2-Infektion, nach Immunisierungs-Status“, AGES, 26. April 2022

Wer genau mitliest, wird erkennen: Das EINZIGE, was sich geändert hat außer dem Datum ist der Titel des Berichtes. Es wird also nicht mehr „vermutet“ beim Immunschutz und die „symptomatischen Fälle“ sind verschwunden (allerdings erst Anfang April!).
Noch interessanter erscheint mir der Schluss-Absatz des letzten Berichtes:

Berechnungen der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) nach ist der steigende Anteil von geimpften Patientinnen und Patienten auf ICU vor allem auf die hohe Durchimpfungsrate der Risikopopulation zurückzuführen. Der zuletzt beobachtete Anteil der Geimpften auf ICU von 25,9 % (Stand 30.11.) lässt bei der hohen Durchimpfungsrate der Risikopopulation (83 % der über 60-Jährigen) auf eine Effektivität der Impfung gegenüber ICU-Aufenthalten von 93 % schließen.

„Fälle und Inzidenz der SARS-CoV-2-Infektion, nach Immunisierungs-Status“, AGES, 26. April 2022

Dass inzwischen 80% und mehr aller PatientInnen „vollimmunisiert“ sind, scheint bei einem Bericht vier Monate nach den GÖG-Berechnungen nicht wichtig und erwähnenswert zu sein.

Was wurde noch verändert?

Nicht nur der Titel der Berichte hat sich geändert, sondern auch die Zahlen darin. Und das in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist während der vergangenen Omikron-Welle die Zahl der Tests genauso „explodiert“ wie auch die Zahl der neuen Positiven, welche in den berichten erfasst wurden und werden.
Und andererseits hat sich auch die Berichterstattung der AGES geändert. Zum ersten Mal ist das „schleichend“ ab Ende Jänner passiert. Da immer im zweiten Teil der Berichte Zahlen zu jeweils zwei Kalenderwoche präsentiert werden (und das in drei Blöcken a zwei Wochen), fällt das Ganz nicht sofort auf.

Die AGES hat ab Anfang März (und dort rückwirkend bis zur KW 5) die GESAMTZAHL der in den Berichten erfassten Menschen reduziert. Darüber habe ich schon geschrieben, daher hier nur kurz: Es wurde vor allem die Gruppe der Genesenen stark „reduziert“ – was sich bei der Inzidenz so auswirkte, dass diese auf fast das dreifache anstieg in dieser Gruppe. Da nur die Gesamtzahl verringert wurde und nicht die der „gefundenen Positiven“, kam es zu diesem Effekt. Dass diese Zahl zuletzt wieder stark ansteigt, liegt daran, dass nur all die Genesenen herausgenommen wurden, welche in den letzten 60 Tagen positiv getestet worden sind. Und da viele in den letzten 2 Monaten positiv auf Omikron getestet worden sind, steigt diese Zahl wieder rasch an, weil diese Menschen nach 60 Tagen wieder dazu kommen. Sie sind jedoch immer noch WEIT von den Werten der KW 08-09 entfernt, wo es mehr als 1,8 Millionen waren. (Die niedrigeren Werte dazwischen sind nur die später eingetragenen Werte für die Wochen ab KW5 – wo es zuerst Zahlen weit jenseits der Millionengrenze gab).

Und damit nicht genug: Obwohl es zuerst seitens des ORF hieß, dass diese Berichte nun eingestellt würden, ist dem nicht so. Es wurde nur die Herausgabe statt in jeder Woche auf alle 14 Tage geändert. Damit gibt es auch weniger Daten, da nun nicht mehr wie früher jede Woche zweimal auftaucht (zB die KW 5 im Zeitraum KW 4-5 und KW 5-6), sondern nur mehr einmal (immer mit den Zeiträumen, wo die erste Kalenderwoche eine ungerade ist).

Das wäre ja durchaus zu entschuldigen, da die Daten ja trotzdem da sind. Allerdings hat die AGES auch noch eine „Kleinigkeit“ geändert: Seit dem Umstellen auf den Zweiwochen-Rhythmus sind auch alle Daten zu Menschen ab 75 Jahren verschwunden. Es gibt nicht mehr wie früher Daten für alle Personen ab 12 Jahren, sondern nur mehr für die Altersgruppe 12-74 Jahre.

Konsequenzen

Was bedeutet das für die Daten? Nun, auf den ersten Blick könnten wir meinen, dass sich das nicht wirklich negativ auswirkt auf die Qualität der Daten. Dazu hätte allerdings diese Änderung deutlicher sichtbar gemacht werden müssen als nur als „Überschrift“ der Tabelle, wo nun nicht mehr „Altersgruppe ≥12 Jahre“ steht sondern „Altersgruppe 12-74 Jahre“. Und außerdem bedeutet das, dass von gut 850.000 Menschen die Daten fehlen. Und das von der Gruppe, die erstens 75% aller Todesfälle an oder mit Covid 19 stellt und in der laut BM für Gesundheit mehr als 90% bereits zweimal und mehr als 80% bereits dreimal geimpft sind.
Wenn wir also – und auch wenn es „nur“ 8-10% der Fälle waren in den letzten vier Wochen, die für eine Bevölkerungsgruppe, die nicht ganz 10% der ÖstereicherInnen ausmacht, heraus gefallen sind, so sind das doch zu 80% Menschen, die bereits dreimal geimpft sind und zu 90% generell Geimpfte. Und wer weiß, wie Inzidenzen berechnet werden, der weiß auch, was es bedeutet, wenn ich 10% der „Fälle“ weg lasse, vor allem, wenn es sich dabei hauptsächlich um „Vollimmunisierte“ handelt: Richtig – die Inzidenz der Geimpften SINKT dadurch nicht unbeträchtlich ab.

Die AGES hat als zuerst die Inzidenzen der Genesenen ansteigen lassen und anschließend durch eine weitere Maßnahme dafür gesorgt, dass die Inzidenzen bei den Geimpften durch Weglassen einer ganzen Bevölkerungsgruppe absinkt.

Warum? Ich weiß es nicht, es erinnert mich jedoch an den Spruch einer Bekannten von mir, welche als studierte Biologin wieder aufgehört hatte mit den Studien, für die sie sich zuerst so begeistert hatte. Auf die Frage nach dem Warum kam als Antwort: „Weißt du, die wollen ga rnicht, dass ich etwas untersuche um interessante Ergebnisse zu finden, die wollen nur Studien, die das Ergebnis hervorbringen, das sie brauchen…“

Wie sehen die Zahlen nun aus?

Zum Abschluss drei Kurven – sie zeigen den Zeitraum seit KW 42 letzten Jahres. Einmal gibt es die Kurven mit den Werten, die zwei Wochen nach dem jeweiligen Zeitraum gemeldet wurden.

Die zweite zeigt denselben Zeitraum, allerdings mit den Zahlen, die nach 4 Wochen gemeldete wurden.

Das dritte sind die gleichen Werte mit den schon 6 Wochen alten Zahlen

Was fällt auf?

1. Die „Spitzenwerte“ – allerdings nur bei den „Immunnaiven“ fallen plötzlich weg. Was also zuerst nach einer Inzidenz von 11.000 und mehr aussah, wird schlussendlich ein Wert von 7.000 – das sind 36% weniger!
Und bitte nicht verwirren lassen durch das Fehlen des Absinkens der Kurven bei der letzten Grafik – dafür sind wir zeitlich noch nicht weit genug „entfernt“ – das zeigt sich erst 6 Wochen später!

2. Die grünen Linien bleiben trotz aller „Veränderungen“ (siehe oben) ganz unten und deuten darauf hin, dass es wohl keinen besseren Schutz gibt, als die „natürliche Immunisierung“… bei den neuesten Daten ist es sogar so, dass die „Immunnaiven“ (die ja jetzt durch alle schon nicht mehr als genesen geltenden Ex-Positiven ohne Impfung verstärkt werden) sogar besser dran sind als die zweifachgeimpften und praktisch gleich gut wie die „ausreichend Geimpften“ im Gesamten.