Temperaturen: Weihnachtlicher Jahresrückblick

Alle Jahre wieder, kommt … auch der Jahresrückblick in Sachen Wetter. So auch beim ORF – siehe hier. Ich möchte aus Sichtd er von geosphere austria verfügbaren Zahlen auch einen Rückblick machen und freue mich, wenn jemand diesen lesen will. Teilweise werde ich dafür auch Zitate aus dem ORF-Artikel verwenden…

Die 258 Jahre

Im dargestellten Absatz aus dem Artikel beim ORF geht es um den Winter der Monate Jänner bis März – das nur zum Verständnis. Was ich immer wieder lese sind diese 258 Jahre an Messgeschichte. Dazu eine Vorbemerkung, bevor es um die Zahlen dieses Jahres geht.

Das ist ein Screenshot von der offiziellen Seite von geosphere austria – gezeigt werden die Stationen in Österreich mit den am längsten zurückreichenden Wetterdaten. Nur zwei davon reichen bis ins Jahr 1775 zurück. Das sind 248 Jahre. Danach folgt ein Sprung von 77 Jahren bis 1852 und auch hier gibt es nur eine Station, wieder in Wien. Selbst an vierter Stelle folgt wieder die Hohe Warte in Wien (die es schon vorher gab ab 1775). Ab 1874 folgt dann jeweils eine Stationen in OÖ und Salzburg, ab 1877 auch eine in Innsbruck. 1880 folgt dann Lienz und der Hochobir, 1883 bzw. 1885 Klagenfurt, 1886 der Sonnblick. Das sind alle Stationen, die vor 1890 mit Daten erfasst sind.
Reduziere ich diese Stationen auf solche, die auch aktuell Daten liefern, dann bleiben noch sieben übrig – alle liegen in nur vier Bundesländern. Da erlaube ich mir doch durchaus die Frage: Wenn schon im bericht immer wieder erwähnt wird, dass die Unterschiede in Österreich regional sehr groß sind und wir in einem Land mit sehr unterschiedlich beeinflussten Regionen leben: Darf ich dann von einer Messgeschichte bis 1767 für ÖSTERREICH schreiben und absolute Behauptungen über „das wärmste Jahr der Messgeschichte“ schreiben, ohne zu erwähnen, dass es nur aus Wien Daten gibt? Und woher stammen diese Daten der 258 Jahre? Wo kommen die fehlenden 10 Jahre her, die es bei den abrufbaren Daten nicht gibt?
Ebenfalls wichtig: Woher stammen die Jahresmittelwerte, mit denen diese Grafik berechnet wurde:

Ich arbeite immer mit 16 verschiedenen Stationen aus ganz Österreich (zumindest eine pro Bundesland ist dabei). Dabei fällt mir auf: Tagesmaximal- und -minimaltemperaturen gab es erst ab 1895 bei einigen Stationen – bei vielen sogar erst ab den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts, also noch keine 100 Jahre lang. Davor gab es überall Messwerte von 7 Uhr Früh, 14 Uhr mittags und 19 Uhr abends (Sommerzeit-Perioden wurden meines Wissens immer mit berücksichtigt). Da wir jedoch wissen, dass es oft nicht um 14 Uhr am wärmsten ist oder um 7 Uhr am kältesten, ist es wohl kaum möglich, diese sehr unetrschiedlichen Datensätze einfach zusammenzufassen, ohne das zumindest zu kennzeichnen oder zu erwähnen, finde ich.

Temperaturen: Minima

Meine Daten beginnen immer mit dem Jahr 1885 – also vor 130 Jahren – davor (siehe oben) gibt es nur ganz wenige Stationen mit Daten. Nur DREI dieser Stationen liefern seither durchgehend Werte für das tägliche Temperaturminimum: Kremsmünster bei Linz, Wien und der Sonnblick. Weiter zwei (Salzburg und Innsbruck) haben 127 Jahre an Daten zu bieten, alle anderen Stationen liefern Messungen für 72 bis 88 Jahre. Das dient nur zur Einordnung der Daten.

Feldkirch

Die Grafiken zeigen immer die Reihung der Monate (und des Jahres bis zum 23. Dezember) in der Messgeschichte (deren Länge auch immer angegeben ist).

In Feldkirch war das Jahr 2024 bei den Minimaltemperaturen seit Messbeginn das wärmste Jahr – die Messungen gibt es für 88 Jahre. Monate mit Rekordwerten gab es 2024 zwei (Februar und August), 2023 einen (September) und 2022 drei (Mai, Oktober und November). Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ war 2024 der Jänner, September und Dezember. Davor gab es seit 2015 nur im Juli 2015 einen Rekordmonat.

Bad Bleiberg

In Bad Bleiberg in Kärnten werden Minima für 82 Jahre dargestellt. Auch hier war das Jahr 2024 seit Messbeginn das wärmste Jahr. Monate mit Rekordwerten gab es 2024 drei (Februar, Juli und August), 2023 zwei (Oktober und November) und 2022 einen (Mai). Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ war 2024 auch hier der Jänner, September und Dezember. Von 2015 bis 2021 gab es keine Rekordmonate, weil die Rekorde vom Mai 2018 und Juli 2015 später übertroffen wurden in den letzten drei Jahren.

Bad Gleichenberg

In Bad Gleichenberg in der Steiermark werden Minima für 81 Jahre dargestellt. Interessanterweise war hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember NICHT die Nummer eins aller Jahre, das war nämlich 2014, allerdings nur mit 0,3°C mehr. Monate mit Rekordwerten gab es 2024 zwei (Februar und August), 2023 und 2022 keinen einzigen! Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ war 2024 auch hier der Jänner, September und Dezember. Aus dem Jahr 2018 stammen zwei Rekordmonate (April und Mai) und der Juli 2015 hält immer noch den Rekord vor 2023 und 2024.

Bruck/Mur

Aus Bruck an der Mur stammt der auch im ORF Artikel erwähnte „sensationell frühe erste 30°C-Wert“ aus dem April 2024 (der übrigens der einzige war an diesem Tag in ganz Österreich). Trotzdem war der April an der Mess-Station in der Obersteiermark nur der neuntwärmste seit Messbeginn in Sachen Minimaltemperaturen – diese Daten gibt es für 88 Jahre. Monate mit Rekordwerten gab es 2024 gleich viermal (Februar, März, Juli und August), 2023 keinen einzigen und 2022 zwei (Oktober und November). Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ waren 2024 wie bisher überall auch hier der Jänner, September und Dezember. Aus dem Jahr 2018 stammen hier gleich drei Rekordmonate (Jänner, April und Mai) und der Juli 2015, der Juni 2019 und der August 2020 waren die zweitwärmsten Monate der Messgeschichte.

Freistadt

Ganz im Norden Oberösterreichs in Freistadt reichen die Minimal-Temperatur-Messungen 88 Jahre zurück. Das Jahr 2024 war wie fast überall auch hier das wärmste der Messgeschichte und liefert für den Februar, den Juli und den August Rekordwerte ab. Interessant ist hier, dass der Dezember deutlich wärmer war im Vergleich mit historischen Daten als bei den anderen Stationen – auch der September war nicht wirklich kühler als die anderen Monate im Vergleich. Nur im Jänner und auch im April war es eher „frisch“.

Innsbruck

In Innsbruck gibt es Daten für 127 Jahre in Sachen Minima – also deutlich länger als in den bisher abgebildeten Stationen! Auch hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 zwei (Februar und August), 2023 keinen einzigen und 2022 zwei (Oktober und November). Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ waren 2024 auch hier der Jänner, September und Dezember. Aus dem Jahr 2018 stammen zwei Rekordmonate (April und Mai) und der Juli 2015 ist auch hier immer noch der wärmste der Messgeschichte vor 2024.

Kremsmünster

Im Kremsmünster steht die Mess-Station schon lange zur Verfügung und die Maxima und Minima werden seit 130 erfasst. Auch hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 zwei (Februar und August), 2023 und 2022 keinen einzigen! Der Jänner 2024 war hier ausgesprochen kalt (Platz 50 von 130 Jahren!), auch der September war eher kühler, allerdings NICHT der Dezember 2024. Aus dem Jahr 2018 stammen zwei Rekordmonate (April und Mai) und der Juni 2019 steht imemr noch als Nummer eins in den Rekordbüchern.

Lienz

In Lienz in Osttirol gibt es von 2015 bis 2021 keinen Monat, der noch als Spitzenreiter in Sachen wärmste Minimaltemperaturen verzeichnet ist, der Juli 2015 nur darum nicht, weil er wie der August, der Februar und der März die wärmsten seit Messbeginn waren – die Messgeschichte reicht hier 84 Jahre zurück.
2023 gab es zwei Monate (Oktober und November) und 2022 einen Monat (Mai) mit einem neuen Temperaturrekord.
Auch in Lienz war 2024 das wärmste Jahr bis zum 23. Dezember, das bei den Minimaltemperaturen vermerkt ist.

Langen am Arlberg

In Langen stammen die Werte von zwei verschiedenen Mess-Stationen und reichen 72 Jahre zurück. Seit 2008 werden nämlich nur mehr die Niederschlagswerte von der historischen Station gemessen und die anderen stammen von einer zweiten Station, die nicht genau am selben Standort steht. Die dargestellten Ranglisten-Plätze sind also alle von der neueren Station, werden aber von mir mit der älteren verglichen, da es sonst keine Vergleichswerte gäbe.
Auch hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 zwei (Februar und August), 2023 einen (September) und 2022 gleich drei (Mai, Oktober und November)! Im Jahr 2024 gab es „nur“ sechs Monate mit Ranglistenpltzen unter den wärmsten zehn, die anderen sechs Monate liegen zwischen Rang 10 und 29 – am kühlsten waren der September und der Dezember. Aus dem Jahren davor (seit 2015) gab es nur einen Rekordwert (Mai 2018) der vom Mai im Jahr 2022 verdrängt wurde.

Rauris

Wie Langen am Arlberg liegt auch Rauris in einem Gebirgstal – der Werte zum Vergleich reichen 88 Jahre zurück. Auch hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 vier (Februar, März, Juli und August), 2023 keinen einzigen und 2022 einen (Mai). Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ waren 2024 hier wieder Jänner, September und Dezember.

Reichenau/Rax

In Reichenau an der Rax sehen wir zwar ebenfalls, dass das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre war. In der 83 Jahre alten Messgeschichte war der September allerdings SEHR kalt mit Platz 58. Auch der Jänner war eher kühler als die anderen Monate im Vergleich.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 auch hier vier (Februar, März, Juli und August), 2023 einen (September) und 2022 keinen einzigen. Der Dezember 2024 war hier wie auch an den Stationen in OÖ nicht wirklich kühler.

Salzburg

Auch wenn die Messreihen in Salzburg mit 127 Jahren sehr weit zurückreichen, überrascht es, dass im Jahr 2024, das insgesamt auch hier das wärmste war, nur EIN Monat der wärmste der Messgeschichte war, nämlich der Februar. 2023 gab es keine Rekordmonate und 2022 waren es die „üblichen Verdächtigen“, der Oktober und November. Rekordwerte aus den Jahren davor gibt es nur beim April 2018.

Sonnblick

Auch am Sonnblick gibt es seit 1885 Messungen zu den Temperaturminima und auch hier war 2024 das wärmste Jahr seit Messbeginn.
Monate mit Rekordwerten gab es in über 3.000 m Seehöhe 2024 zweimal (Februar und August), 2023 einen (September) und 2022 keinen einzigen. Aus dem Jahr 2018 stammen zwei Rekordwerte (April und Mai) und zwei weitere aus dem Jahr 2015 (Juli und Dezember).
Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ waren 2024 auch hier Jänner, September (nur Platz 64!) und auch ein recht kalter Dezember.

Wörterberg

In Wörterberg an der Grenze zwischen dem Burgenland und der Steiermark gibt es 82 Jahre an Messgeschichte in Sachen Minimaltemperaturen. Auch hier das Jahr 2024 bis zum 23. Dezember die Nummer eins aller Jahre.
Monate mit Rekordwerten gab es 2024 vier (Februar, März, Juli und August), 2023 ebenfalls vier (Jänner, September, Oktober und November) und 2022 keinen einzigen. Die im Vergleich mit den Messreihen „kühlsten Monate“ waren 2024 hier wieder Jänner, September und Dezember, wobei die beiden letztgenannten nur knapp hinter den „Top Ten“ liegen.

Zwettl

Weit im Norden Niederösterreichs in Zwettl reichen die Minimal-Temperatur-Messungen 88 Jahre zurück. Das Jahr 2024 war wie fast überall auch hier das wärmste der Messgeschichte und liefert für den Februar, den Juli und den August Rekordwerte ab. Auch hier war der Dezember nicht so kühl wie im Süden und Westen Österreichs – auch der September war nicht wirklich kühler als die anderen Monate im Vergleich. Nur im Jänner und auch im April war es eher „frisch“. Rekordwerte gab es davor 5 Jahre lang keine, im Jahr 2018 sind der Jänner, April und Juni als Spitzenreiter der Messgeschichte verzeichnet. Das Jahr 2014 war übrigens am Stift Zwettl das zweitwärmste der Messgeschichte und nur 0,34°C kühler als das laufende.

Wien

Auch in Wien gibt es wie in Innsbruck, Salzburg, am Sonnblick und in Kremsmünster sehr weit zurückreichende Daten und daher hier 130 Jahre zum Vergleich. Das Jahr 2024 war auch hier wie fast überall auch hier das wärmste der Messgeschichte und liefert für den Februar, den Juli und den August Rekordwerte ab.
Der Dezember war wie der September nicht unter den „Top Ten“ und der Jänner mit Platz 33 von 130 eher kühl im Vergleich.
Rekordwerte gab es 2023 im September, davor finden wir noch den Juni 2019 und den April und Mai 2018 in den Rekordbüchern.

Fazit

2024 war insgesamt auch bei den Minimaltemperaturen das wärmste Jahr der Messgeschichte in Österreich – mit Ausnahme von Bad Gleichenberg, wo es „nur“ für Platz 2 reichte. Allerdings reicht diese „Messgeschichte“ nicht wie überall geschrieben 250 oder mehr Jahre zurück, sondern selten 130 und meistens nur um die 80 bis 90 Jahre.

Wie „wienlastig“ die Berichterstattung ist, zeigen neben der Tatsache, dass nur dort wirklich Daten vom 18. Jahrhundert verfügbar sind auch die Tatsache, dass nur in drei anderen Stationen so wie im ORF-Artikel geschrieben wirklich die Jahre 2018 und 2023 neben 2024 die zwei wärmsten waren seit Messbeginn. Anderenorts ist das durchaus anders – aber offensichtlich zählt bei vielem in Österreich nur Wien als Maß aller Dinge.
Ich wünsche hiermit allen meinen Stammlesern und auch allen anderen, die das lesen, schöne Weihnachten. Bei uns in Vorarlberg (manche bezeichnen das auch als „Westtirol“ (*zwinker*) ) schneit es gerade und wir haben an vielen Orten das, was schon viele Jahre Seltenheitswert hat in tieferen Lagen: Weiße Weihnachten.