Sterben wir aus?

Eine etwas provokante Frage steht dieses Mal am Anfang meines Beitrages. Und ich muss zugeben: Ja, ich bin mir sicher, dass die Menschheit irgendwann aussterben wird. Wie bald das der Fall sein wird, das sei dahingestellt…

Die Österreicher

Gemeint war mit der Frage allerdings nicht die Menschheit als Ganzes, sondern die (leider) immer öfter zu hörenden Aussagen, dass es bald „keine Österreicher“ mehr geben wird – das „Österreicher“ kann in vielen anderen Ländern durch deren Nationalitäten ersetzt werden.

Werfen wir also einen ersten Blick auf die Zahlen der Statistik Austria:

Unten – patriotisch in Rot-Weiß-Rot gehalten – sehen wir die Zahl der in Österreich lebenden österreichischen StaatsbürgerInnen. Im Jahr 2002 (davor gibt es keine gleich aufbereiteten Daten bei der Statistik Austria) gab es etwas mehr als 7,3 Millionen ÖsterreicherInnen unter den damals knapp mehr als acht Millionen EinwohnerInnen. Das waren (Linie oben) fast 91% aller in Österreich lebenden Menschen.
Zu Beginn des laufenden Jahres 2023 gab es fast genau gleich viele österreichische StaatsbürgerInnen, gerade einmal 41.573 waren es mehr als im Jahr 2002. Die Gesamtbevölkerung ist jedoch um fast eine Million mehr als vor 21 Jahren. Der Anteil an österr. StaatsbürgerInnen unter allen ist daher auf 81% gesunken – also um etwa 10%.
Wäre ich ein schlechter Modellierer, dann könnte ich jetzt behaupten, dass daher in etwa 150 Jahren so gut wie keine österreichische StaatsbürgerInnen mehr im Land leben werden. Das ist zwar Unsinn, aber so wird Angst und Unwohlsein erzeugt unter den 81%, die derzeit österreichische StaatsbürgerInnen sind.

Wer die Legende betrachtet, sieht schon, dass ich gewisse Gruppen von ausländischen Staatsbürgerschaften vorbereitet habe: Europa ist in drei Einzelstaaten (Deutschland, Rumänien, Ukraine) und den Rest aufgeteilt. Auch bei Asien habe ich drei Einzelstaaten herausgepickt: Afghanistan, Syrien und die Türkei. Daneben gibt es noch Afrika, Amerika, Ozeanien und unter „unbekannt“ sind all jene zusammengefasst, der Staatsangehörigkeit nicht zugeordnet werden konnte.

Genauerer Blick

Wenn ich nun diese oben erwähnten Staaten und Regionen aufschlüssle unter all jenen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, sieht das etwas anders aus:

Natürlich bleibt der „Österreich-Anteil“ gleich – allerdings habe ich mir erlaubt, eine zweite Prozentkurve einzuzeichnen: Die all jener Menschen, die einen europäischen Pass haben – dazu zählen selbstverständlich auch die mit dem österreichischen Ausweis! Wir sehen: 2002 besaßen 97,3% aller in Österreich lebenden Personen einen Pass aus einem europäischen Staat und 2023 waren es mit 95,1% immer noch sehr viele. Anders gesagt: Von 100 zufällig in Östereich ausgewählten Menschen haben 95 eine europäische Staatsbürgerschaft (die Türkei ist hier NICHT mit eingerechnet, sie zählt zu Asien!).

Die Einbürgerungen

„Ja und was ist mit den eingebürgerten Menschen?“ Diese Frage kann ich schon beim Schreiben meines Beitrages hören – daher habe ich mir auch diese Zahlen angesehen:

Ich habe hier die Zahlen seit 1981 – und ich habe nach Geburtsort und Altersgruppe unterschieden – oben finden sich die Menschen, die in Österreich geboren worden sind, darunter die, die woanders zur Welt kamen. Wir erkennen, dass die meisten Einbürgerungen rund um das Jahr 2003 stattfanden und dass es etwa doppelt so viele Einbürgerungen sind von Menschen, die NICHT in Österreich geboren sind.
Auffallend sind bei dieser Gruppe die Jahre 2021 und 2022, wo es einen sprunghaften Anstieg der Einbürgerungen gab bei Menschen, die außerhalb Österreichs zur Welt kamen.

Wir sprechen hier in Summe von zuletzt etwa 20.000 Menschen im Jahr, die eingebürgert wurden – das entspricht nur etwa 0,2% der Gesamtbevölkerung! Der Großteil der in Österreich geborenen Eingebürgerten ist jünger als 25 Jahre, bei den woanders Geborenen sind die meisten zwischen 25 und 44 Jahren.

Die Zuwanderung

Und wie ist es mit Menschen, die aus dem Ausland nach Österreich zuwandern? Hier müssen wir aufpassen, weil es neben Zuwanderungen auch immer eine Abwanderung gibt unter diesen Menschen. Wenn also zB 10.000 Menschen aus dem Ausland nach Österreich kommen und gleichzeitig 5.000 aus Österreich abwandern, bleiben als „Saldo“ 5.000 Zugewanderte übrig.

Bei Ozeanien sieht das zum Beispiel wie oben dargestellt aus: Bis auf 2009 sind immer etwas mehr Menschen nach Österreich gekommen, als wieder weggezogen sind. Ein Blick auf die Skala links zeigt: Es sind nur ganz wenige Menschen überhaupt!

Bei den nicht zuordenbaren Menschen sind es schon etwas mehr – hier stechen vor allem die Jahre 2014 bis 2016 heraus, als wegen dem Krieg in Syrien und Afghanistan viele Menschen ins Land kamen, von denen 2015 fast 2.000 nicht einem Staat zugeordnet werden konnten.

Ganz ähnliche Zahlen gibt es bei den Menschen aus Amerika und Afrika für die Zuwanderung nach und Abwanderung aus Österreich: Während die Zahlen aus Nord- und Südamerika seit 2002 – bis auf 2020 und 2021 – tendentiell steigend sind, schwanken die Zahlen aus Afrika sehr stark. Nach 2004 gab es vor allem 2015 und 2016 einen Anstieg, der – zeitlich verschoben – auch bei den Abwanderungen zu sehen ist. 2021 und 2022 zeigen wieder steigende Tendenz – allerdings mit Werten unter denen von 2004.
Insgesamt sind es jedoch auch hier nirgends mehr als jeweils 7.500 Menschen im Jahr aus den beiden Weltregionen.

Die Kurve aus Asien sieht der mit dem Status „unbekannt“ sehr ähnlich im Verlauf – hier ist vor allem das Jahr 2015 extrem stark zu sehen, in den letzten beiden Jahren stiegen die Zahlen ebenfalls wieder an. Im Gegensatz zu Afrika gibt es deutlich weniger Abwanderung und die Zahlen sind fast 10 Mal höher bei den Zuwanderungen aus Asien. Seit 2009 wandern jedoch auch mindestens 10.000 Menschen pro Jahr aus asiatischen Ländern wieder aus Österreich ab.

Das sind jetzt die Zahlen aus Europa (ausgenommen ÖsterreicherInnen). Seit 2011 wandern jedes Jahr mindestens 100.000 Menschen aus Europa in Österreich ein. Im Jahr 2022 waren es auf einen Schlag mehr als 200.000 – dazu später noch mehr. Die Abwanderungen europäischer StaatsbügerInnen aus Österreich liegen seit 2002 zwischen 50.000 und 100.000 Menschen pro Jahr – Nur 2022 waren es erstmals mehr als 100.000 Menschen aus Europa, die Österreich wieder verlassen haben.

Wenn wir also jetzt den Saldo errechnen aus allen Zu- und Wegzügen, dann sieht das so aus für Österreich:

Von 2002 bis 2013 schwanken die Zahlen zwischen knapp unter 20.000 (2009) und knapp unter 60.000 (2013). Danach folgen drei Jahre mit höheren Zahlen, wobei vor allem 2015 heraus sticht. 2017 bis 2021 liegen dann jeweils zwischen 35.000 (2018) und gut 50.000 (2021). Der allerhöchste Wert der letzten 21 Jahre stammt aus dem Jahr 2022, als es etwa 140.000 Menschen waren.

Interessant ist hier die prozentuelle Verteilung auf die Herkunftsregionen:

Bis auf 2002 und 2015 stammen immer mehr als die Hälfte des „Saldos“ – also der Differenz aus Zu- und Abwanderung pro Jahr – aus Europa. Der Anteil aus Afrika ist immer sehr gering, der aus Amerika noch geringer. Asien stellt im Jahr 2015 knapp über die Hälfte aller Zuwanderungen – auch hier später noch mehr dazu. Im Jahr 2018 waren sogar mehr als 90% der Zugewanderten aus Europa – Afrika hatte damals sogar eine negative Bilanz!

Wenn wir die Grafik von weiter oben nicht kumuliert darstellen, sondern als Linien, ist gut erkennbar, dass in Österreich fast die gesamte Wanderungsbilanz aus europäischen oder asiatischen Staaten erfolgt. Nur im Jahr 2015 waren es mehr Asiaten als Europäer.

Wenn wir nun bei den Asiaten Syrien und die Türkei gesondert darstellen und bei Europa die Ukraine herausnehmen und einzeln darstellen, sieht das wieder anders aus: Nun gibt es nur mehr ein Jahr, in dem die Mehrheit der Zuwanderungen nicht aus den europäischen Staaten ohne die Ukraine stammt: 2022 wanderten mehr UkrainerInnen in Österreich ein, als es insgesamt Menschen aus anderen europäischen Staaten taten.

Hier wieder die Darstellung in Prozent aller Zuwanderungen: Es ist nun klar erkennbar, dass 2002 der Zuzug vieler türkischer EinwohnerInnen dafür verantwortlich war, dass die Europäer bei der Zuwanderung in der Minderheit waren. 2015 waren es vor allem SyrerInnen und 2022 stammten etwas mehr als 49% ALLER Zugewanderten aus der Ukraine.

So sieht das ganze in absoluten Zahlen aus:

Und wenn wir die beiden Kriegsschauplätze Syrien und Ukraine weglassen, sieht es so aus:

Ohne UkrainerInnen und SyrerInnen war die Zuwanderung 2022 geringer als in den Jahren 2014 bis 2016.

Der Saldo nach Regionen

Das ist eine Grafik, auf der die Saldi noch genauer dargestellt sind: Hier ist auch die Bilanz der österreichischen StaatsbürgerInnen eingetragen: Pro Jahr ziehen zwischen 1.800 (2020) und 9.500 (2007 und 2008) Menschen mehr mit österreichischer Staatsbürgerschaft weg aus Österreich, als Menschen mit der gleichen Nationalität wieder zurückkehren. Wir exportieren also jedes Jahr mehr ÖsterreicherInnen als wir importieren.

Die größte „Welle“ an Zuwanderung gab es 2022 aus Ostereuropa: über 86.000 Menschen waren es vergangenes Jahr aus dieser Region. Auch 2014 kamen sehr viele Menschen aus Osteuropa zu uns – mehr als im Jahr darauf aus Westasien (incl. Syrien und der Türkei). Im gleichen Jahr kamen auch fast 24.000 Menschen aus Südasien – dazu zählt auch Afghanistan, das damals den größten Anteil unter den Zuwanderern aus dieser Region stellte.

Zusammenfassung

Diese Grafik zeigt drei Werte zusammengefasst: Dunkelblau ist die Zahl der Einbürgerungen erfasst, also jene Menschen, die im entsprechenden Jahr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekamen. Hellblau sind die Saldi aus den Zu- und Abwanderungen – das ist die Zahl der Menschen, die als Zugewanderte mehr im Land lebten als im Jahr zuvor. Und die rote Linie zeigt die Zahl der AusländerInnen unter allen EinwohnerInnen in Österreich, die jedes Jahr dazu kamen.

FAZIT

Die ÖsterreicherInnen werden nicht „aussterben“ in den nächsten Jahrzehnten in Österreich, das steht fest, zumindest nicht durch Zuwanderung. Der Anteil der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft unter allen EinwohnerInnen steigt zwar an, allerdings kommt der bei weitem größte Teil dieser Zuwanderer aus Europa. Insgesamt besaßen im Jänner 2023 genau 19% aller in Österreich lebenden Menschen keine österreichische Staatsbügerschaft – es waren allerdings nur 4,9% der Menschen ohne europäischen Pass.

Und all jene, die jetzt damit argumentieren, dass es vor allem bei den jüngeren Menschen ganz anders ist: Natürlich ist es so, dass eher jüngere Menschen aus anderen Herkunftsregionen bei uns leben. Ab einem gewissen Alter sind die Menschen auch nicht mehr so reiselustig oder auswanderungswillig und -fähig.
Es sind allerdings auch dann, wenn wir die Bevölkerung in 15-Jahres-Altersgruppen aufteilen, immer mindestens 92% aller EinwohnerInnen in Österreich solche mit einem europäischen Pass. Den geringsten Anteil an Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft gibt es dabei bei den 30-44-Jährigen: Dort haben etwa 72% als Nationalität „Österreich“ im Ausweis stehen. Von den restlichen 28% sind jedoch noch einmal 20% aus europäischen Staaten – das entspricht mehr als 71% aller „Nicht-ÖsterreicherInnen“.