Nein, es geht hier nicht (mehr) darum, wie viel an Geld während der Coronapandemie verschleudert wurde für sinnbefreite Massentestungen an Schulen. Es geht auch nicht darum, dass die Schulen bei uns um ein Vielfaches länger geschlossen waren oder eine Maskenpflicht verordnet wurde im Gegensatz zu anderen Ländern, wie etwa Schweden oder auch unser Nachbarland die Schweiz. Es geht um simple Zahlen zu den Schulen in Österreich. Im ersten Teil geht es zuerst um die
Basiszahlen
Schulen
Es gibt Zahlen seitens der Statistik Austria bis ins Jahr 1923 zurück – allerdings fehlen bis 1950 viele Einzeljahre, darum sind in diesem ersten Teil die Linien bis 1950 gepunktet dargestellt. Vor 101 Jahren gab es 6.040 Schulen (alle Schulen einschließlich Akademien) in Österreich. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg waren es mit 5.699 so wenige, wie – im Beobachtungszeitrum – nie mehr davor oder danach. Bereits wenige Jahre später folgt das Jahr mit den meisten Schulen, die es jemals in Österreich gab seit 1923: Im Jahr 1954 waren es 7.688 an der Zahl!
Allerdings begann mit dem Jahr 1958 bereits wieder ein massiver Abbau an Schulen, denn nur 14 Jahre später sank die Zahl auf 6.737 – das waren etwa 900 Schulen, die in diesem kurzen Zeitraum aufgelassen wurden!
Danach veränderte sich bis 2002 nur wenig – die Zahl stieg auf fast 6.700 Schulen an, ehe der zweite große „Abbau“ bei den Schulen startete: In den letzten 22 Jahren wurden wieder sehr viele Schulstandorte aufgelassen, mehr als 750 Schulen sind es heute weniger als zu Beginn des neuen Jahrtausends.
Schüler
Nun läge die Vermutung nahe, dass ein „Schülerschwund“ zu diesen beiden Abbau-Zeiten geführt hat – schauen wir uns also die Schülerzahlen (wieder aller Schulen inkl. Akademien) an:
In der Zwischenkriegszeit lag die Zahl der Schüler in Österreich ungefähr bei 1 Million. Am wenigsten sind aus dem Jahr 1925 bekannt mit knapp 877.000. Ab 1950 haben wir laufende Daten für jedes Jahr, damals waren es fast 80.000 mehr als eine Million. Bis 1961 sanken diese Zahlen leicht ab, ehe die „Babyboomer“ für einen gewaltigen Anstieg sorgten auf fast 1,5 Millionen Schüler in Jahr 1976. Danach erfolgte ein ebenso schneller Absturz der Zahlen, der 1990 wieder stoppte bei etwa 1,15 Millionen. Bis 2004 stiegen die Zahlen wieder leicht an, sanken dann bis 2015 wieder ab und stiegen zuletzt bis 2023 wieder auf 1,17 Millionen. Der Abbau an Schulstandorten (siehe oben: 1958 bis 1971 und ab 2002) kann also nicht durch sinkende Schülerzahlen ausgelöst worden sein. Vor allem der erste Abbau fällt im Gegenteil genau in die Zeit, als die Schülerzahlen sich extrem nach oben bewegten!
Lehrpersonen
Eine zweite Theorie wäre, dass es durch Lehrermangel zu Schulschließungen gekommen ist:
Im Jahr 1923 gab es österreichweit gerade einmal knapp über 35.000 Lehrpersonen. 1950 waren es mit 58.000 schon deutlich mehr. Diese Zahl blieb bis 1961 in etwa gleich, ehe sie stark anzusteigen begann. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie 1999, als es mehr als 125.000 Lehrer in Österreich gab. Danach sank die Zahl bis 2007 wieder um etwa 5.000 ab.
2022 war die Zahl bereits wieder deutlich höher als 1999 – mit mehr als 133.500 Lehrpersonen waren es 2022/23 fast vier Mal so viele wie vor 100 Jahren!
Wir sehen also auch hier: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Personalstand und Schulschließungen. Weder 1958 bis 1971 noch ab 2002 sanken die Personalzahlen drastisch ab. Damit bleibt als Grund für die Schulschließungen nur mehr einer in meinen Augen: Es ging um finanzielle Aspekte.
Klassen
Es gibt noch eine vierte Maßzahl, die ich noch nicht angeführt habe: Die der Schulklassen im Land.
Waren es vor etwa 100 Jahren 23.380 Klassen in allen Schulen Österreichs, so gab es 1950 bereits über 35.000. Hier zeigt die Kurve nun ein ähnliches Bild wie die der Schüler: Bis 1961 sank sie leicht, ehe sie rasant anstieg (durch die vielen neuen Schüler). Allerdings folgte danach nicht der starke Absturz bei den Klassenzahlen, sondern diese blieben in etwa auf dem Niveau von 1976 stehen. Seit 2015 steigt die Zahl der Klassen wieder deutlich an.
Eine Erklärung für das „nicht mehr Absinken“ könnte sein, dass es durch die Babyboomer deutlich mehr Lehrpersonal gab und dieses (auch durch die Pragmatisierungen) nicht so ohne weiteres wieder gekündigt werden konnte. Der Anstieg zuletzt kann auch eine Folge der zunehmenden Anforderungen durch andere Zahlen erklärt werden – dazu mehr im zweiten Teil der Serie.
Verhältnis-Zahlen
Die Zahl der Klassen pro Schule stieg in den letzten 100 Jahren fast überall an. Im österreichweiten Schnitt (rote Linie und Zahlen) waren es vor 100 Jahren 4 Klassen pro Schule, heute sind es in etwa 10. Bei weitem am höchsten sind hier die Zahlen in Wien: Als Großstadt gibt es hier kaum wirklich kleine Schulen, wie sie auf dem Land oft zu finden sind. Daher hat eine Wiener Schule im Schnitt 16 Schulklassen, das sind mehr als doppelt so viele wie im Burgenland, wo es durchschnittlich 7 Klassen sind.
Die Zahlen der Schüler pro Klasse zeigen anfangs ungewöhnlich hohe Werte aus dem Burgenland un OÖ, wo anscheinend vor 100 Jahren bis zu 50 oder gar 66 Schüler zusammen eine Klasse teilten.
Wenn wir die Zahlen vor 1950 weg lassen, haben wir 1950 OÖ als Spitzenreiter mit durchschnittlich 35 Schülern pro Schulklasse – in NÖ waren es damals „nur“ 28 Schüler pro Klasse im Mittel.
Österreichweit sanken in den Jahren von 1970 bis 1986 die Zahlen von 30 auf 22 Schüler pro Klasse. Wir wissen, woran das lag: Es gab sehr viele Lehrpersonen und plötzlich viel weniger Schüler. Nach 1986 haben sich die Zahlen bis 2006 kaum geändert. In den letzten 17 Jahren sanken sie dann noch einmal von 23 auf 20 pro Klasse. Aktuell sind in einer Klasse in Vorarlberg im Schnitt 19 Schüler, in Wien 21.
Ganz anders sieht es bei den Schülern pro SCHULE aus: Im Jahr 1923 besuchten im Schnitt aller Schulen Österreichs 159 Schüler zusammen eine Schule. Heute sind es mit 196 pro Schule deutlich mehr geworden. Wien liegt hier (wie oben schon erklärt: eine Großstadt hat und braucht andere Möglichkeiten für die vielen Schüler auf relativ engem Raum) weit vor allen anderen: Im Burgenland hatte die durchschnittliche Schule 127 Schüler im Schuljahr 2022/23, in Wien mit 350 fast drei Mal so viele!
Relativ wenig Bewegung gab es bei den Lehrpersonen pro Klasse: Im Jahr 1923 waren es pro Klasse im Schnitt 1,5 Lehrer, heute sind diese Zahlen auf 2,3 gestiegen. Der Hauptanteil dieses Anstiegs erfolgte zwischen 1974 und 1999 – also in der Zeit, als bei gleichbleibendem Personalstand die Schülerzahlen stark sanken.
Waren es vor 100 Jahren in Wien 12 und im Burgenland zwei Lehrpersonen pro Schule, so sind es heute 40 bzw. 15 – in beiden Bundesländern sehen wir also auch hier die Auswirkungen der vielen Schulschließungen. Österreichweit ist die Zahl von 6 Lehrern pro Schule auf 23 gestiegen!
Gesunken ist hingegen die Zahl der Schüler pro Lehrer. Im Jahr 1925 war eine Lehperson in Österreich im Schnitt für 23,5 Schüler zuständig, heute sind es knapp unter neun – also deutlich weniger als die Häfte von damals. Die Schwankungsbreite liegt dabei bei den Bundesländern nur zwischen 8 in Vorarlberg und 9 in der Steiermark. 1925 gab es zwischen 19 in Vorarlberg und 31 im Burgenland deutlich größere Unterschiede!
FAZIT
Vor 75 Jahren gab es in Österreich etwa 8% weniger Schüler, aber 22% mehr Schulstandorte. Klassen waren es damals fast 63% weniger – daher gab es damals auch viel größer Schülerzahlen in den einzelnen Klassen. Allerdings waren die Schulen insgesamt kleiner, hatten weniger große Schülerzahlen.
Aus meiner Sicht „zum Glück“ führte ein Zu-Viel an verbeamteten Lehrpersonen und ein Rückgang der Schülerzahlen Ende der Siebziger Jahre zu einer Reduktion der Klassenschülerzahlen, in dessen Genuss auch ich als Schüler kam.
Heutzutage ist eine durchschnittliche Klassenschülerzahl von mehr als 30 undenkbar geworden. Zu groß sind die Ansprüche, die Erwartungen und auch die Herausforderungen an den Schulen geworden. Im zweiten Teil dieser Serie soll es dann um andere Fakten gehen, einer davon zeigt zum Beispiel, dass unser Schulsystem eher für Mädchen als für Jungen gemacht zu sein scheint.
Dass es für den Arbeitgeber weit billiger ist, weniger große Schulen anstatt vieler kleiner zu haben, liegt auf der Hand: Auch kleine Schulen brauchen viel Infrastruktur und der Betreuungsschlüssel ist durch die Teilungsziffern deutlich kleiner. So gesehen muss das Schulsystem in Wien deutlich günstiger pro Schüler sein, als das im Burgendland oder Vorarlberg. Und ein „wir müssen die Kleinschule XY leider schließen“ hat vielleicht den einen oder anderen Stadtkämmerer oder auch für die Bildung zuständigen Politiker einiger Geldsorgen enthoben. Dabei gibt es auch hier „Kollateralschäden“, wie kleine Dörfer ohne Standortschule oder Kinder, die durch weitere Wege nicht mehr zu Fuß zur Schule gehen, wenn sie das überhaupt noch wollen.