Mein Lieblingsbezirk

Erklärungsversuch zu den Inzidenzen

Es ist nun 608 Tage her, seit die WHO Covid 19 zur Pandemie erklärt hat. Seitdem „lockdownen“ und „schutzverordnen“ wir vor uns hin. Maßnahmen kommen und gehen und die Basis für die ganzen Entscheidungen ist – auch wenn es anders angekündigt wurde – immer wieder die Inzidenz. Das bedeutet, es geht rein darum, wie viele Menschen pro 100.000 innert 7 Tagen neu positiv getestet werden.

Ich habe das schon öfters zum Thema gemacht, möchte aber ein altes Posting dazu wieder „aufwärmen“. Dabei geht es um meinen – numerischen – Lieblingsbezirk in Österreich, den Bezirk Bruck an der Mur/Mürzzuschlag. Er eignet sich dafür besonders gut, weil er hat fast genau 100.000 Einwohner (und außerdem stammen meine Großeltern von dort).

Annahmen

Bei meinem Beispiel treffe ich mehrere – zugegebeneraßen so unrealistische, weil eben „künstliche“ – Annahmen:

  • Wir geben dem Bezirk jetzt 1.946 Menschen dazu, damit er GENAU 100.00 EW hat.
  • Wir haben derzeit 5% Menschen in diesem Bezirk, die positiv sind, das heißt, bei denen das Visurs aktuell mit einem PCR-Test nachgewiesen werden könnte – und das bleibt für 4 Wochen so.
  • Beim Testen kommt es zufällig zu einer genau repräentativen Gruppe für die Gesamtbevölkerung, wir „fischen“ also nicht bei den Symptomatischen (wie es eigentlich gedacht wäre), sondern testen „querbeet“ und erwischen dabei pro 100 Menschen eben immer genau so eine Verteilung, dass bei 5 davon das Virus nachgewiesen werden kann.
  • Der Test liefert zu 100% richtige Ergebnisse – also keine falsch positiven und keine falsch negativen. (Das Ergebnis des Beispiels würde auch stimmen, wenn es immer 5% falsche Testergebnisse geben würde, solange dieser Wert sich nicht ändert – und bei derselben Test-Art und demselben Hersteller bzw. denselben Qualitätskriterien sollte das ja so sein.)

Die (fiktive) Situation

Der Bezirkshauptmann (ich habe extra nachgeschaut, die haben einen Mann dort an der Position) von Bruck/Mürzzuschlag hat ein Problem: Die bestellten Tests wurden nicht geliefert und er hat nur mehr 100 Stück für die Tests der kommenden Woche.

  1. In Woche eins werden daher nur 100 Menschen getestet. Weil die Verteilung ideal ist und die Tests zu 100% richtig (siehe oben), werden 5 Personen positiv getestet und in Isolation geschickt.
  2. In Woche zwei kann dem Bezirk von dem Nachbarbezirk Leoben ausgeholfen werden, allerding snur mit 1.000 Tests. Diese werden verwendet, gefunden werden genau 50 Positive.
  3. In der dritten Woche kommt endlich die Bestellung an: 10.000 Tests stehen zur Verfügung, die auch verwendet werden und es werden 500 Positive entdeckt.
  4. Da sich inzwischen herumgesprochen hat, dass es so viele Positive gibt in dem Bezirk, gibt es eine groß angelegt Test-Aktion, die selbst für Österreich einzigartig ist: ALLE Einwohner des Bezirkes werden getestet, der Innenminister bringt mit dem Gesundheitsminister persönlich mit dem Hubschrauber die Tests nach Bruck/Mur. Soldaten des Bundesheeres helfen mit bei der Testung und es werden nun tatsächlich 5.000 Positive gefunden und in Absonderung geschickt. (Für die „Erbsenzähler“ unter uns: Mir ist klar, dass zu dem Zeitpunkt bereits 550 in Absonderung waren (5 sind ja wieder als Genesene „frei“) und die auch nicht getestet werden müssen – ich lasse das bewusst weg, weil es nicht darum geht).

Das Ergebnis

Das Ergebnis bleibt einerseits genau gleich: Bei diesem „guten Test“ werden genau die 5% Positiven in der Bevölkerung gefunden. weil sich die Situation ja nicht geändert hat.

Die INZIDENZ hingegen ändert sich sehr wohl. Sie ist innerhalb von vier Wochen um das 1.000-fache gestiegen. In Woche 1 betrug sie 5, dann lag sie bei 50, danach bei 500 und zuletzt bei 5.000.
Wer also bei den Inzidenzen außer acht lässt, wie viele Tests gemacht werden, bildet keine „Wirklichkeiten“ ab, höchstens verzerrte Wirklichkeiten.

Vergleichbar sind diese Inzidenzen nur bei Gruppen, die JEDE WOCHE gleich getestet werden – damit wären wir in Österreich zB bei den Schultests, wo JEDE Woche immer die GLEICHE Gruppe getestet wird. Diese Inzidenzen darf ich aber niemals mit eienr anderen Gruppe vergleichen, in der viel weniger oder vollkommen anders getestet wird (zB mit der der zu 80% geimpften bevölkerung über 55, die sich nicht testen lassen muss und wo nicht einmal bekannt ist, wie viele Menschen zum Testen gehen und wie deren Status in Sachen Impfung ist (den kenne ich zB bei den SchülerInnen sehr genau, wenn ich das herausrechnen will).

Und darum ist es – in meinen Augen – auch Unsinn, zu behaupten, dass etwa Salzburg eine Inzidenz von 700 hat, während es in Deutschland nur eine Inzidenz von 170 gibt – unlängst so gehört im TV. Zum Vergleich: In Österreich werden laut ourworldindata.org beim letzten verfügbaren Datum 36,53 Menschen pro 1.000 getestet, in Deutschland gerade einmal 1,94. Das sind fast 19 Mal mehr Tests in Österreich als bei unseren Nachbarn. Zudem ist die Anzahl der Tests seither um 40% gestiegen bei uns (innerhalb einer Woche!) und die Schultests werden hier gar nicht erfasst!

Zum Schluss noch ein fiktives Rechenbeispiel: Nehmen wir an, in Oberösterreich haben wir bei der derzeitigen Inzidenz von 1.000 eine „Idealsituaton“ insofern, als dass es stimmt, dass alle Geimpften NICHT schwer erkranken und alle Ungeimpften sich zu 100% anstecken.
Das würde bedeuten, dass die 38% Ungeimpften bei einer Inzidenz von 1.000 (=1% der Bevölkerung ist pro Woche positiv getestet) in 38 Wochen alle einmal positiv waren. Das heißt, es würde genau bis zur ersten Juliwoche dauern – das ist also quasi Sommerferienbeginn – bis alle OberösterreicherInnen, die bis dato nicht, teilweise oder noch nicht lange genug geimpft sind einmal positiv waren. Dass es bereits über 10% Genesene gibt, lasse ich hier außer acht, weil ein Teil dieser Genesenen wohl auch schon vollgeimpft ist. Wenn wir diese alle als Ungeimpfte rechnen, wäre die Pandemie in OÖ bereits Ende Mai vollkommen zu Ende (unter der Annahme, dass Geimpfte nicht mehr positiv sind, daher ist das ein „theoretisches Beispiel“).

8 thoughts on “Mein Lieblingsbezirk

  1. Das Problem dabei ist, daß die Menschen nur die Zahl der positiv Getesteten hören aber nicht , wieviel Tests jetzt mehr gemacht werden! Wenn man das mit November 2020 vergleicht, sind wir jetzt ja besser! Oder Irre ich mich da?

    1. Schwer zu sagen… Wir sollten sowieso viiiiel besser dran sein, weil doch über 70% der Impfbaren geschützt sein müssten. Vielleicht ist aber auch das ein Problem, dass viele davon eben glauben, dass der „Schnupfen“ kein Problem ist…

  2. Danke Oliver für Deine super Aufbereitung, und damit auch verständlich machen für „Otto Normalverbraucher“ 🙂
    LG
    Suzie

  3. Zitat: „In Österreich werden laut ourworldindata.org beim letzten verfügbaren Datum 36,53 Menschen pro 1.000 getestet, in Deutschland gerade einmal 1,94. Das sind fast 35 Mal mehr Tests in Österreich als bei unseren Nachbarn.“

    Da ist irgendwo ein Rechenfehler. Entweder sind es in D nicht 1,94 – sondern 1,04 / oder es sind nicht 35, sondern 18,5 Mal so viel…

    Ich vermute einen Tippfehler…
    LG Alex

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