Im ersten Teil ging es vor allem auch um die Bevölkerungsstrukturen und die Altersentwicklung in ausgewählten Ländern. Hier soll es nun um die Jahre 2000 bis 2023 gehen. Dabei werfen wir zwar zuerst kurz einen Blick auf die Gesamtzahlen – diese sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, weil die Altersstruktur eine große Rolle spielt. Anstatt diese durch Berechnungsmodelle in die Daten und Grafiken einfließen zu lassen, stelle ich die einzelnen Altersgruppen (in dem Fall immer 5 Jahres-Gruppen zusammen) lieber einzeln dar, weil das mehr Aussagekraft hat in meinen Augen.
Extremwerte
Vorne weg ein sehr eindrückliches Beispiel, wie einzelne Ereignisse sich auswirken können:
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In Norwegen ereignete sich im Jahr 2011 ein schreckliches Unglück, als ein Mann auf der Insel Utøya 69 Menschen ermordete. 32 davon waren damals unter 18 Jahren. Diese Zahl (die 19-Jährigen sind hier auch noch mit erfasst, dafür fehlen die 14-Jährigen, unter denen es auch Opfer gab) zeigt sich ganz dramatisch bei den Sterbezahlen pro Woche in Norwegen in dieser Altersgruppe.
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Wo sonst nie mehr als 3 Menschen pro 100.000 und Woche verstarben, waren es in dieser Woche fast 18, also mehr als das Sechsfache! Solche Extremeregnisse können zu starken Abweichungen führen, „verschwinden“ jedoch fast völlig aus dem Blickfeld, wenn wir zB Jahreszahlen betrachten.
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Etwas Ähnliches zeigt sich uns, wenn wir die gleiche Altersgruppe für Österreich betrachten: der Brand der Gletscherbahn in Kaprun forderte damals viele Todesopfer, darunter auch viele sehr junge Menschen. Der Wert von 4,5 pro 100.000 ist fast doppelt so hoch wie die höchsten Werte aller anderen Wochen seit dem Jahr 2000.
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Bereits bei einem Halbjahreswert (26-Wochen-Schnitt in dunkelblau) ist der Anstieg im Jahr 2000 weniger stark zu erkennen, als zB mehrere starke Wochen hintereinander im Jahr 2003. Ebenfalls auffallend: Während der Covid-Zeit (gelb und orange eingefärbt) war es auffallend ruhig in dieser Altergruppe, danach steigen die Höchstwerte wieder an, und zwar stärker als in den 10 Jahren davor.
Alle zusammen
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Das sind die wöchentlichen Sterbezahlen in den von mir ausgewählten 12 Ländern (siehe Grafik-Legende unten) und für die gesamte Bevölkerung zusammen – immer (wie auch später) berechnet auf 100.000 EW, womit zwar die Bevölkerungsentwicklung als Ganze berücksichtigt ist, aber nicht die Entwicklung der Altersstruktur.
Natürlich fällt die „Corona-Zeit“ hier besonders auf, allerdings vor allem wegen einzelner Länder wie Bulgarien, Ungarn oder der Slowakei. Ansonsten ist gut erkennbar, dass wir bei uns ein „saisonal unterschiedliches“ Sterbegeschehen haben. Im Sommer sterben weniger Menschen als im Winter – daher gibt es immer wieder einzelne Wellenbewegungen mit Tiefstständen im Sommer- und Hochstwerten im Winterhalbjahr. Ebenfalls erkennbar ist, dass manche Staaten keine Daten für gewisse Zeiträume an Eurostat geliefert haben (das sind die Linien, die ganz unten verlaufen), so fehlen zum Beispiel für Deutschland bei manchen jüngeren Altersgruppen (siehe später) die Zahlen vor 2015 und für Italien sogar alle vor 2011.
Einzelne Altergruppen
Aus live an let die Teil 1 wissen wir, dass vor allem die älteren Bevölkerungsgruppen stark am Sterbegeschehen beteiligt sind. Daher beginnen wir bei den Ältesten, was die vorhandenen Zahlen betrifft:
Menschen ab 85 Jahren
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Wer sich – wie ich – erwartet hat, dass hier die „Pandemie“ besonders gut zu erkennen ist – auch weil ja das Durchschnittsalter der an und mit Covid Verstorbenen bei 80, teilweise sogar 84 Jahren lag – sieht sich „ent-täuscht“: Ja, es gab einzelne Wochen und Staaten mit hohen Zahlen – allerdings gab es die auch vorher. Und nirgends gab es höhere Wochenzahlen als gleich zu Beginn des Jahrtausends in Bulgarien.
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Doch auch wenn wir Bulgarien weg lassen, sehen wir, dass diese ersten Wochen nach dem Millenium in Sachen Sterbegeschehen mancherorts alle anderen Wochen in den Schatten stellen – zum Beispiel in der Schweiz oder in Schweden.
Wenn wir die Länder wieder auf Österreich, Schweiz, Deutschland und Schweden begrenzen und den Zeitraum auf Herbst 2016 bis heute, dann sieht es so aus:
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Die Covid-Zeit ist darum zweifärbig hinterlegt, weil ich einerseits die Zeit vor den Impfungen und andererseits nachdem Länder wie die Schweiz die Pandemie offiziell für beendet erklärt haben gelb gefärbt habe und die „Kernzeit“ dazwischen orange. Folgende Punkte werden deutlich:
- 2019 war überall ein sehr „mildes Jahr“ in Sachen Sterbegeschehen.
- Die Höchstwerte im Winter 16/17 reichten an die Spitzenwerte des Winters 20/21 heran.
- 2018 gab es in Deutschland, deutlich höhere Spitzenwerte als in den andern drei Ländern.
- Genau die beiden Länder, die danach besser durch die Covid-Zeit kamen und DEUTLICH weniger Maßnahmen setzten (Schweden und Schweiz), zeigen im Frühjahr 2020, wo in Österreich vor allem darüber diskutiert wurde, ob das Virus aus einem österreichischen Schigebiet überall hin verbreitet wurde, deutlich höhere Spitzenwerte in der Gesamtsterblichkeit.
- Im Winter 22/23 waren vor allem Deutschland und Österreich, aber auch Schweden von einer weiteren „Welle“ in Sachen erhöhte Sterblichkeit betroffen.
- Seit Februar 2023 gab es keine einzelnen „Spitzenwochen“ sondern eher Kurven wie 2019.
- Österreich liegt seit Jahresbeginn 2024 fast durchgehend oben im Vergleich mit den anderen drei Ländern, wenn es um die Gesamtsterblichkeit pro 100.000 bei den Menschen ab 85 Jahren geht.
Gesamtüberblick alle und ältere Gruppen
Blicken wir auf einzelne Länder und die Werte dort und zeichnen auch ein Halbjahres-Mittel mit ein, sieht das Ganze so aus:
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In Bulgarien gab es nie auch nur annähernd so hohe Zahlen wie 2021 und 2022. Selbst der zweithöchste Wert einer Einzelwoche von 2017 ist fast nur halb so hoch wie die „Spitzenwoche“ Ende 2020. Auch der Halbjahresschnitt war nie höher als damals.
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Das zeigt sich fast gleich bei der Altergruppe 75+ – allerdings NICHT mehr so ausgeprägt bei den Menschen ab 85, wo die „Milleniumswelle“ deutlich höher war und auch der Halbjahresschnitt damals klar über dem der beiden Covid-Jahre liegt.
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Auch in Österreich waren beim Blick auf die Gesamtbevölkerung der Winter 2020/21 und die KW 49 im Jahr 2020 die mit dem stärksten Sterbegeschehen. Allerdings waren auch die beiden Folgewinter auf Platz 2 und 3 zu finden und bei den Einzelwochen stechen die ersten Wochen im Jahr 2017 und 2023 stark hervor.
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Interessant ist allerdings, dass sowohl bei den 75+ als auch 85+ Gruppen die höchsten Werte bei den Einzelwochen aus dem Jahr 2000 stammen und der „schlimmste“ Winter immer der von 2002/03 war. Was in der Zeit der Lockdowns und des Maskentragens ebenfalls auffällt, sind die hohen UNTEREN Werte, die fast an die des Jahres 2003 heranreichen, wo sich das Sterbegeschehen offensichtlich das ganze Jahr erhöht zeigte.
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Auch in der Schweiz zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Österreich, die höchsten Werte liegen jedoch alle etwas unter denen aus der Alpenrepublik.
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Im Gegensatz zu Österreich liegen die Halbjahres-Höchstwerte bei 75+ (2000) und 85+ (2021) nicht im Jahr 2003. Auffallend ist auch, dass es danach schneller „besser“ wurde als bei uns – vielleicht auch, weil unaufgeregter gehandelt wurde, weniger Angst erzeugt und die Maßnahmen schneller beendet?
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Deutschland zeigt ein völlig anderes Bild: Die Zahlen lagen Anfang des Jahrtausends tiefer und scheinen seither zu steigen, wenn wir die Gesamtzahlen betrachten. Auf Jahre mit wenig Sterbegeschehen (zB 2013/14) folgten oft solche mit höherem Ausschlag (2014/15). Spitzenjahr war weder bei den Einzelwochen noch im Halbjahreswert das Jahr 2020 oder 2021, sondern jeweils der Winter 2022/23! Auch die starke Woche 10 des Jahres 2018 ist in der Schweiz und Österreich nicht erkennbar.
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Wenn wir jedoch die beiden Gruppen anschauen, die uns die ältesten Einwohner zeigen, dann sieht alles gleich anders aus: Die Spitzenwerte stammen wie in Österreich aus dem Winter 2003/04. Die stärksten Wochenwerte allerdings sind wieder Ende des Jahres 2022 zu sehen.
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Und Schweden? Ähnlich wie in Österreich und Deutschland gab es im Halbjahresmittel die höchsten Zahlen im Winter 2002/03. Wie in Österreich oder Bulgarien gab es keine stärkeren Wochenzahlen als ganz am Beginn des Jahrtausends. Und bis auf einen Spitzenwert im Frühling 2020 gibt es sonst nicht viel zu sehen, außer dass auch in Schweden das Jahr 2019 ein sehr unterdurchschnittliches war.
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Das ändert sich auch nicht, wenn wir die beiden Gruppen 75+ oder 85+ betrachten. Erst an fünfter Stelle aller Wochen mit hohem Sterbegeschehen taucht hier die Woche 16 von 2020 auf. Und im Gegensatz zu allen anderen Ländern ist seit etwa 10 bis 15 Jahren ein durchgehender Trend nach unten zu sehen, vor allem bei der Gruppe der Menschen ab 75 Jahren.
Ausgewähltes
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Leider gibt es unter 40 Jahren keine Daten von Deutschland zu den 5-Jahres-Altersgruppen. Warum das so ist, weiß ich leider nicht. Daher gibt’s hier eine Grafik ohne D: Bei den 35-39 Jahre alten Menschen zeigt sich, dass sich während der Covid-Zeit nichts zeigt – allerdings scheinen viele Wochen danach bei den österreichischen Werten durchaus höher als davor.
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Das fällt noch mehr auf, wenn wir nur AUT und SWE vergleichen und dabei den Halbjahres-Mittelwert einzeichnen. Während es in Schweden zuletzt sehr ruhig war, gab es in Österreich einen starken Anstieg der Zahlen. In abgeschwächter Form zeigt sich das auch bei den 40-44-Jährigen (unten). Da es ab hier auch wieder Werte für Deutschland gibt, habe ich die Grafik erweitert und es zeigt sich, dass in Deutschland offensichtlich mehr 40-44-Jährige sterben als in Schweden:
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Bei den aktuellen Zahlen und in der Babyboomer-Altersgruppe (natürlich nur zuletzt, im Jahr 2000 war diese Altersgruppe eher die Generation der Eltern der Boomer) sieht das so aus:
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Es fällt auf, dass in allen vier Ländern die Zahlen zurückgehen, was die Verstorbenen im Alter von 55-59 Jahren betrifft.
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Wenn wir nur die letzten Jahre seit September 2016 anschauen, zeigt sich das gleiche Bild. Was zusätzlich auffällt, ist, dass in Deutschland und Österreich (im Gegensatz zu Schweden und der Schweiz) das Sterbegeschehen in der orang eingefärbten „Kernzeit“ der Covid-Jahre erhöht war und auch bis ins Frühjahr 2023 blieb.
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Wenn wir die Halbjahreskurven mit einziehen, zeigt sich, dass in Schweden so gut wie nichts zu erkennen ist, in der Schweiz höchstens im Winter 2021-22 etwas zu sehen, in Österreich vor allem dort etwas erkennbar ist und in Deutschland der Abwärtstrend davor und danach in den Jahren mit Corona-Maßnahmen offensichtlich gestoppt wurde. Spitzenreiter aller Wochen seit September 2016 war in Österreich die Woche 45 im Jahr 2021.
Ebenfalls interessant erscheint mir diese Grafik, sie zeigt den Vierteljahres-Schnitt in den vier Ländern in einer der am stärksten betroffenen Altersgruppen, wenn es um die Anzahl der Todesfälle allgemein geht, den 75-79-Jährigen:
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Das Auffälligste für mich ist hier das fast vollständige Fehlen der „Entspannungsphase“ im Sommerhalbjahr 2022 in Deutschland und Österreich, wo fleißig weiter Pandemie, Impfpflicht und Maskentragen an der Tagesordnung waren. Im Gegensatz dazu stehen Schweden und die Schweiz, wo damals schon längst wieder das Leben wie vorher praktiziert wurde. Ebenfalls auffallend ist, dass die Schweiz in dieser Altersgruppe mit Ausnahme des Winters 20/21 weniger Sterbefälle pro 100.000 Menschen zu melden hat als die anderen drei Länder. Und während Schweden bis zum Jahr 2021 immer wieder nahe bei oder sogar über den Werten von Österreich lag, ist es seit 2022 eher nahe der Schweiz im unteren Bereich angesiedelt.
Fazit
Im Vierkampf Österreich-Deutschland-Schweden-Schweiz haben eindeutig die beiden Länder besser „abgeschnitten“ in den Jahren 2020 bis 2023, die sich in Sachen Maßnahmen unaufgeregter und sachlicher gezeigt und mehr an den wirklichen Fakten orientiert haben. Besonders die Kinder und Jugendlichen, bei denen durch die Zahlen bereits im Frühjahr 2020 klar ersichtlich war, dass sie weder oft erkranken, noch Treiber der Pandemie sind – also weder besonders „geschützt“ werden mussten noch andere besonders vor ihnen geschützt – haben darunter massiv gelitten.
Was ich hoffentlich zeigen konnte mit den beiden Beiträgen (hier und hier) zu den Todeszahlen in Europa, ist die Tatsache, dass Anstiege und auch Rückgänge bei Todeszahlen oft nicht nur mit Krankheiten zu tun haben, sondern auch mit dem Aufbau der Bevölkerung in Sachen Altersstruktur. Wer sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren in Österreich darüber wundert, dass die Todeszahln massiv steigen werden, hat das und mich nicht verstanden.