Vor einigen Wochen habe ich die Schweiz und Österreich verglichen. Heute mache ich etwas Ähnliches. Ich suche mir ein paar Nationen aus und vergleiche die Kurven von www.ourworldindata.org miteinander. Dort werden die offiziellen Zahlen von den meisten Staaten weltweit dargestellt. Ich verwende diese seit Beginn der Pandemie, wenn ich über unsere Grenzen schauen will. Was mir bei „Ländervergleichen“ auffällt, ist, dass sie von vielen nur dann eingesetzt werden, wenn sie in ihr „Narrativ“ passen. Sobald dem nicht mehr so ist, wird über ein bestimmtes Land nicht mehr gesprochen, oder es wird betont, dass „wir doch verschiedene Länder nicht vergleichen können“.

Selbst wenn wir die Länder nicht UNTEREINANDER vergleichen, können wir zumindest die Entwicklungen der Länder nebeneinander stellen. Denn auch wenn unterschiedlich ausgewertet, getestet, interpretiert oder gezählt wird, sollten zumindest die Unterschiede gleich bleiben, oder?

Wer ist mit dabei?

Österreich: No na, natürlich ist Österreich mit dabei, immerhin lebe ich hier!

Schweiz: Unser westliches Nachbarland hat nicht nur fast genau so viele EinwohnerInnen wie wir, sondern auch eine sehr ähnliche geographische Lage – und für mich als Vorarlberger ist es immer in Sichtweite gewesen während der Pandemie.

Deutschland: Unser großer Nachbar hat so wie große Teile der Schweiz die gleiche Amtssprache und ist neben Österreich eines der ganz wenigen Länder, das immer noch einige Maßnahmen aufrecht erhält und auch auf die FFP2-Masken setzt.

Dänemark: war immer wieder ein Land, das auch von offiziellen Stellen als „Vergleichsland“ herangezogen wurde – solange es ins Narrativ passte (siehe oben).

Portugal: Auch das westlichste Land Europas war immer wieder „Vorbild“, zB wenn es ums Impfen ging. Kaum ein anderes Land hat so viele Geimpfte. Auch von der Bevölkerungsgröße her ist es nicht so weit von uns entfernt.

Schweden: Natürlich muss auch Schweden dazu beim Vergleich. Anfangs oft geschmäht, immer wieder sehr kontrovers diskutiert, außerdem mit ebenfalls ähnlich vielen EinwohnerInnen wie bei uns.

Ungarn: Und wenn wir den westlichen Nachbar dazu nehmen, dann auch den östlichen. Die Ungarn sind auch nur wenig mehr, was die Anzahl der dort lebenden Menschen betrifft.

WICHTIG: Ich habe diese Länder zum teil auch darum ausgewählt, weil sie in Sachen maßnahmen sehr unterschiedlich agierten: In der Schweiz etwa wurden im februar bereits vergleichbare „Lockerungen“ eingeführt wie bei uns jetzt, Anfang April wurden ALLE Maßnahmen beendet (nicht ausgesetzt oder pausiert). Auch in Dänemark oder Schweden ist schon lange Schluss mit Maßnahmen.
Wieso mir das wichtig ist? Weil es vermehrt Stimmen bei uns gibt, die bei den „ansteigenden Zahlen“, die wir zur Zeit immer wieder präsentiert bekommen, davon sprechen, dass diese eine Folge der „Lockerungen“ sind, welche es bei uns seit einigen Wochen gibt.

Wer mit der Länderauswahl nicht einverstanden ist, der möge sich bei der Quelle selbst bedienen und einen eigenen Vergleich anstellen!

Der „Modus“

Ourworldindata macht das, was Standard sein sollte: Die Zahlen werden (außer man wählt die Option ab) RELATIV zur Bevölkerungsgröße dargestellt. Das heißt, wenn in Deutschland und Österreich gleich viele Menschen gestorben wären, dann würde das „pro Million“ oder auch „pro 1.000“ bedeuten, dass dort etwa 6-7 Mal weniger Menschen verstarben als bei uns, weil dort mehr als 60 Millionen leben, bei uns knapp 9 Millionen.
WICHTIG: Ich wähle teilweise die zweiwöchigen Daten, weil dadurch Schwankungen durch Meldeverzögerungen besser ausgeglichen werden! Und ich habe immer den Zeitraum ab 1. Jänner 2022 gewählt, also das laufende Kalenderjahr.

Vergleich 1: Die „Fallzahlen“

Leider wird auch bei ourworldindata bei allen positiv Getesteten von „bestätigten Fällen“ gesprochen. Immerhin werden sie nicht als „Kranke“ oder „Infizierte“ bezeichnet. Omikron war nach den Daten in Dänemark am stärksten ausgeprägt – mit zeitweise über 10% an Positiven im Jänner und Februar.
Am zweithöchsten ist die „Welle“ in Portugal gewesen, wo zur gleichen zeit etwa 8% der Bevölkerung positiv getestet war. Österreich kommt an dritter Stelle und zeitlich versetzt – der Höhepunkt lag bei uns mit etwa 7% der Bevölkerung Mitte/Ende März. Die Schweiz folgt als nächstes und hatte etwas mehr als 5% Positive im Jänner/Februar und noch einmal fast so viele im März. Schweden hatte etwa 5% Positive im Jänner und danach so gut wie NICHTS mehr. Deutschlands Kurve ist der österreichischen sehr ähnlich, nur viel niedriger mit maximal 4% an gleichzeitig Infizierten. Ungarns Kurve ist der schwedischen ähnlich, allerdings anfangs niedriger und zum Schluss etwas höher.
Wenn wir es mit Humor nehmen, könnten wir sagen: Omikrons zweite Welle sprach eindeutig deutsch, weil sie nur in AUT, SUI und GER auftrat.
Auffallend ist noch, dass die Zahlen in Portugal seit Anfang Mai wieder steigen.

Vergleich 2: Die Todesfälle

Der Laie würde vermuten, dass die Todesfälle ähnlich liegen müssen wie die „bestätigten Fälle“. Dem ist NICHT so, Ganz klare Nummer eins ist hier Ungarn, wo zu Jahresbeginn 172 Menschen pro Million in zwei Wochen verstarben. Das sind 0,0172% der Bevölkerung.
In Dänermark gab es die zweitmeisten C19-Verstorbenen, allerdings erst gegen Ende März. Die Dänen waren damals schon bemüht, den Menschen zu erklären, dass Menschen, die hier als Covid-Todesopfer geführt werden, oft nicht AN Covid verstarben, sondern MIT (also positiv getestet waren kurz vori ihrem Ableben).
Dann folgen recht knapp beieinander Schweden (69), Portugal (66) und Österreich (62), allerdings zu unterschiedlichen Zeiten. In Schweden war es vor allem im Februar, in Portugal schon früher und in Österreich Anfang April. Auch hier ist die Kurve von Deutschland der österreichischen sehr ähnlich nur deutlich niedriger zum Zeitpunkt des Höchststandes, der in Deutschland bei etwa 45 lag (anfangs des Jahres und am Schluss war sie jedoch höher).
In der Schweiz war der Höchstwert etwa gleich hoch wie in Deutschland, allerdings schon Anfang Jänner erreicht.

Auffallend ist noch, dass die Zahlen in Portugal seit Anfang Mai wieder steigen.

Nun ist ja bei den Verstorbenen durchaus interessant, wie viele offizielle Todesfälle es denn INSGESAMT bisher gab – natürlich pro EW gerechnet:

Wir sehen, dass es offensichtlich in Ungarn fast 0,5% der Bevölkerung waren, in Portugal und Österreich ca. 0,2%, in Schweden 0,18%, in Deutschland und der Schweiz 0,15% und in Dänemark etwa 0,12%.

Vergleich 3: Die Tests

Jeder weiß, wer „Europamasta“ beim testen ist, wenn wir Zypern aus dem Spiel lassen: ÖSTERREICH testete phasenweise bis zu 10% der Menschen Anfang Februar – wobei hier die Schultests NICHT erfasst sind!
Nur drei Länder haben mehr Tests durchgeführt als es derzeit bei uns – von vielen Test-Fans beklagt wegen dem starken Rückgang – noch gibt: Dänemark hatte Ende Jänner etwa 40% der Tests von Österreich gemacht und auch Portugal in etwa in Drittel. Letzteres ist das einzige Land, in dem auch jetzt noch viel getestet wird – es waren beim letzten verfügbaren Datenstand aber immer noch weniger als halb so viele wie bei uns. In der Schweiz gab es im Jänner ungefähr so viele Tests wie bei uns letzte Woche noch. Interessanterweise war die Schweiz Mitte März Nummer zwei hinter uns – mit etwa 8 Mal weniger Testungen als wir hatten.
Alle anderen Länder haben nie im Jahr 2022 mehr getestet als wir es jetzt noch tun. In Schweden wird seit Mitte Februar praktisch nicht mehr getestet, die Deutschen und die Ungarn testeten nie viel – erstere am meisten im März, letztere Ende Jänner/Anfang Februar.

Vergleich 4: Die Impfungen

Hier wird dargestellt, wie viele Impfungen pro 100 EinwohnerInnen „administriert“ wurden. Nummer eins ist Portugal mit mehr als 237, gefolgt von Dänemark mit 227, Schweden (221), Deutschland (214) und Österreich (203). Viel weniger waren es ind er Schweiz (180) und Unganr (172).

Wenn wir schauen, wie viele Menschen zumindest EINMAL geimpft wurdensieht es so aus: Portugal wird hier mit fast 96% angeführt, dann folgen Dänemark (83%), Schweden, Deutschland (jeweils 77%) und Österreich (75,5%). Wieder liegen die Schweiz (70%) udn Ungarn (66,5%) ganz unten.

Die Reihung ändert sich auch kaum, wenn wir die „fully vaccinated people“ anschauen: Portugal (87%), Dänemark (82%), Deutschland (77%), Schweden (75.5%) und Österreich /73%) liegen wieder vor der Schweiz (69%) und Ungarn (64%).

Wenn es um die geboosterten Personen geht, ändert sich das Bild: Hier liegt Deutschland voran mit 65%, egfolgt von Portugal (64%), Dänemark (63%) und Österreich (58%). Schweden liegt hier mit 53% weiter hinten und Ungarn und die Schweiz mit 43% wieder ganz unten.

Vergleich 5: Die Spitäler

Hier fallen zwei Sachen abseits der kurven auf: In Schweden enden die Daten mit März 2022, in Ungarn mit April 2022. Dort wurde offensichtlich beschlossen, der Pandemie nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit zu bieten wie anderswo. Darum sind diese beiden Länder „außer Konkurrenz“ dabei.
Den höchsten Wert gab es Ungarn mit etwa 0,05% der EinwohnerInnen als Covid-PatientInnen im Februar. In Österreich wurden Ende März etwa 0,035% gemeldet. Dänemark hatte im Februar (wieder damals schon mit dem Hinweis, dass viele nicht WEGEN sondern MIT Covid im Spital liegen!) etwa 0,03%, dan folgen Portugal und die Schweiz. Wer hier Deutschland sucht, tut dies vergeblich – keine Daten!
Auffallend ist noch, dass die Zahlen in Portugal seit Anfang Mai wieder steigen, wie auch bei den „Fällen“ und den Verstorbenen.

Wer die Zahlen aus Deutschland braucht, muss diese Grafik bemühen, hier werden nicht die PatientInnen gezählt, sondern die Aufnahmen:

Wir sehen: Deutschland liegt zuletzt gleichauf mit Dänemark (wo es KEINE Einschränkungen mehr gibt) und über der Schweiz, wo die Zahlen bis zur Abschaffung der meisten Einschränkungen Mitte Februar noch höher lagen.

Wenn wir nun die INTENSIV-Belegungen anschauen, ist Deutschland plötzlich Nummer eins! Das ist insofern seltsam, als sie es weder bei den PatientInnen insgesamt noch bei den Todesfällen sind!

Nur zuletzt werden sie von Portugal überholt, das im Jänner und Februar noch deutlich hinter Österreich und der Schweiz lag. Dändemark hat durchwegs deutlich niedrigere Zahlen und in Schweden enden die Zahlen hier Ende März.

Abschluss: der Stringency-Index

Diese Grafik finde ich auch noch interessant: Offensichtlich gab es in Portugal nur Einschränkungen für die Ungeimpften und die stärksten Einschränkungen gab es in Deutschland und Österreich. In Dänemark und Schweden gibt es wie in der Schweiz schon sehr früh keum mehr Maßnahmen, in Ungarn enden fast alle und für alle mit März.
Und während es in Österreich imemr noch den Wert 40 gibt, sind sie überall sonst bereits unter 20 gesunken – auch in Deutschland!

Fazit

Es gibt kein Fazit im Sinne eines „Siegers“ im Ländervergleich. Es gibt viele Auffälligkeiten – etwa auch die, dass seit Anfang Mai in Portugal „etwas los“ ist. Oder, dass die Wellen sich offensichtlich wenige rum die Maßnahmen scheren, als viele es wahrhaben wollen.
Viel Spaß beim Vergleichen – schaut bei der Quelle selbst vorbei und spielt euch mit den interaktiven Grafiken: https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer?zoomToSelection=true&time=2022-01-01..latest&facet=none&uniformYAxis=0&pickerSort=desc&pickerMetric=population&Metric=Confirmed+cases&Interval=Biweekly&Relative+to+Population=true&Color+by+test+positivity=false&country=AUT~CHE~DNK~DEU~PRT~SWE~HUN