Gestern habe ich bei orf.at einen Online-Artikel (https://orf.at/stories/3294510/) gelesen über eine Studie, wo es um einen Zusammenhang zwischen Impfquote und Übersterblichkeit ging. Mein erster Gedanke (auch nach dem Durchlesen war): Was soll das?
Mein zweiter war dann: Auch wenn ich schwer bezweifle, dass das irgendeine wirkliche Aussagekraft hat, will ich so etwas auch machen – allerdings nicht nur mit „ausgewählten Ländern“, die mir gerade ins Narrativ passen, sondern mit allen, bei denen ich verfügbare Daten finde bei ourworldindata.org – das ist die Quelle, die ich immer verwende für internationale Daten zum Thema Covid.
Ausgeschlossen habe ich nur die Staaten, die unter 300.000 EW haben und all jene, die keine verfügbaren Daten dazu haben bei ourworldindata. Übrig geblieben sind 39 europäische Staaten von Albanien bis Zypern.
Die Kategorien
Natürlich habe ich die zwei Kerndaten, um die es in der „Studie“ aus den USA ging, verwendet. Das sind einmal die überzähligen Todesfälle (excess mortality) und auch die Daten zur Impfung. Da wird es schon schwieriger, weil es verschiedene Datensätze gibt. Ich habe mich für zwei entschieden: die „people fully vaccinated“ (die Menschen, die eine in der ursprünglichen Form vollständige Impfserie bekommen haben) und die „total booster“ (die Menschen, die also mehr als die urprünglich so benannte vollständige Impfserie bekommen haben). Bei Österreich zum Beispiel gibt es ab Anfang Jänner 2022 keine Daten mehr über „vollständig Geimpfte“ – wohl auch, weil selbst den WissenschaftlerInnen von Harvard klar wurde, dass dieses dauernde Ändern der Definitionen keine aussagekräftigen Daten mehr zulässt. Das sehen wir dann auch bei den entsprechenden Kurven und Grafiken weiter unten.
Als weitere Kategorie habe ich noch den „stringency index“ dazu genommen. Damit beurteilen sie bei ourworldindata die Schärfe und Härte der Maßnahmen.
Die Hitparade – oder Europameisterschaften
Zuerst gibt es zu jeder Kategorie eine Grafik, wo die Daten pro Land in ansteigender Reihenfolge angeführt sind – je niedriger der Wert, desto weiter oben steht das jeweilige Land.
Die Übersterblichkeit
Es gibt unter den 39 Staaten ein einziges Land, das laut ourworldindata eine UNTERsterblichkeit hat zur Zeit, wenn die Daten seit Pandemiebeginn kumulativ betrachtet werden: Luxemburg. Danach folgen bis Platz 8 nur Länder aus dem Norden: Dänemark, Norwegen, Irland, Island, Schweden und Finnland. Keines davon hat mehr als 1,250 Tote mehr pro Million EW als erwartet.
Ganz unten zu finden mit exakt der gleichen Zahl sind Bosnien Herzegowina und Bulgarien. Der Unterschied liegt beim Datum der Zahl: Während die aus Bulgarien von Anfang September stammt, ist die aus Bosnien Herzegowina bereits von Ende Juni 2022 – es sind übrigens 9.772 Todesfälle pro Million – das entspricht einer Zunahme an Todesfällen von 0,977% bezogen auf die EinwohnerInnen.
Das erste Land, das nicht entweder am Balkan, im ehemals so genannten „Ostblock“ oder am Baltikum liegt, ist dann Italien an 17. Stelle von unten.
Österreich liegt an 15. Stelle (von oben), hinter unseren Nachbarländern Deutschland und der Schweiz, aber zum Beispiel vor Spanien und Portugal.
Die offiziellen Covid-Todesfälle
Wenn es um die offiziell mit oder an C19 Verstorbenen geht, verwendet ourworldindata die offiziellen Zahlen der einzelnen Staaten. Dass hier ganz eindeutig unterschiedlich gezählt wird, ist wohl allen bekannt. Die meisten Länder legen nicht einmal offen, WIE diese Zahlen zustande kommen.
An erster Stelle liegt hier Island, wo es nach offiziellen Angaben nicht einmal 600 Todesfälle pro 1 Million EW waren – das entspricht nicht einmal 0,06% aller Menschen. Nach Norwegen folgt überraschenderweise Albanien, dann kommen Dänemark, Finnland und die Niederlande. Auch Luxemburg, Deutschland, die Schweiz oder auch Schweden haben weniger als 0,2% an Todesfällen mit oder an Covid anzugeben.
Ganz unten sind auch hier wieder Bosnien Herzegowina und Bulgarien zu finden. Nach offiziellen Angaben verstarben dort 0,56% (BGR) bzw. 0,5% (BIH).
Österreich liegt an 17. Stelle mit 0,24% an Todesfällen an oder mit Covid direkt hinter Frankreich und knapp vor Portugal und Spanien.
Die Maßnahmen
Bevor wir die Impf-Zahlen anschauen, blicken wir auf die Maßnahmen-Schärfe – wo wird nach den letzten Zahlen noch wie viel ins öffentliche Leben eingegriffen?
Die gute Nachricht: angeblich sind die Restriktionen in der Ukraine noch schärfer als bei uns! Die Zahlen von dort stammen vom 12. November diesen Jahres, die in Österreich wurden letztmals im 14. November 2022 eingetragen. Ansonsten wären wir „Europameister“ bei dem, was derzeit bei uns maßnahmentechnisch immer noch gilt.
Ebenfalls viele Einschränkungen gibt es demnach noch in Bosnien Herzegowina, im Kosovo, in Deutschland und in Russland und Finnland. Dann folgen noch Italien, Griechenland und Belgien – alle anderen haben auf der Skala, die bis 100 geht, noch mehr als 11,11 stehen.
Eine NULL gibt es in Island, die Schweiz, Großrbritannien, Ungarn und Lettland liegen ex aequo auf Platz zwei mit 5,56 als Wert.
Die Impfdaten
Zuerst schauen wir uns an, wie viele Menschen in Prozent aller EinwohnerInnen laut ourworldindata „fully vaccinated“ sind:
In Bosnien Herzegowina haben knapp über einem Viertel aller EW eine vollständige Impfserie erhalten (im Sinne der urpsrünglichen Definition, was bedeutet, dass sie ZWEI Impfungen bekommen haben oder auch eine von Johnson & Johnson). Dann folgt (wieder unter den „Top 2“) Bulgarien mit knapp über 30%. Auch in Österreichs Nachbarland Slowakei gab es keine 50% der Bevölkerung, die eine „vollständige Impfserie“ erhielten.
In der Schweiz waren es knapp unter 70%, in Luxemburg knapp mehr als 70%. Österreich und Deutschland liegen nebeneinander auf den Plätzen 11 und 12 von unten her gesehen – wobei bei Österreich die Daten mit Anfang des Jahres 2022 enden – das heißt, wir haben derzeit siche reher MEHR als den Wert an „vollständig abgeschlossenen ersten Impfserien“.
Am meisten geimpft wurde demnach in Malta, wo mehr als 88% eine vollständige erste Serie erhielten. In Portugal und Spanien waren es mehr als 85%, und Dänemark und Italien knapp über 80%.
Wenn es ums Boostern geht, wird es nicht nur beim „ersten Platz von unten“ seltsam: In Belgien gab es den Zahlen nach nämlich mehr Geboosterte als es vollständig Geimpfte gibt. 98,18% geben die Belgier nach Angaben von ourworldindata als Booster-Quote an. Ich vermute, dass da wohl verschiedene Auffrischungsimpfungen zusammengezählt wurden…
Nach Belgien folgt Impf-Europameister Malta vor Italien, wo es nach den Daten 76,51% Geboosterte gibt. Auch in Deutschland sind es über 75%, das würde bedeuten, dass praktisch jeder Deutsche, der eine vollständige Impfserie intus hat, eine Auffrischungsimpfung erhalten hat.
Wir erkennen hier sofort: Da stimmt sicher etwas nicht!
In Österreich sollen demnach 72,63% geboostert sein, das sind nur etwa 4% weniger als es vollständig Geimpfte gibt… Stellen wir uns einmal vor, was diese Zahlen alles aufzeigen könnten, wenn überall gleich gezählt würde?
In der Schweiz gab es übrigens nur knapp über 50% an Boostern.
Die Staaten einzeln dargestellt
Nun folgen die einzelnen Staaten – wenn es denn überall so wäre, dass die Zählmethode dieselbe geblieben wäre, dann hätten wir zumindest hier einen Datensatz, mit dem wir etwas anfangen können. Dass dem nicht so ist, zeigt ein Blick auf die Impf-Status-Definitions-Änderungen in Österreich. Trotzdem ist es durchaus interessant, was es da alles zu sehen gibt. Die Darstellungen sind alle gleich skaliert – das heißt, die Staaten mit den höchsten Werten haben den oberen Bereich der Skalen festgelegt – wenn die Kurven oder Säulen enden oder fehlen, gibt es keine Daten!
Orange ist die Maßnahmenstärke, violett die generelle Übersterblichkeit, lila gepunktet die offiziellen Covid-Todesfälle, die blauen Säulen sind die vollständigen Impfserien und die roten die Boosterimpfungen. Die linke Skala ist für die Todesfälle/Sterblichkeiten, die rechte für die Maßnahmenindex und die Impfungen.
Zuerst sehen wir die Grafik von Österreich, dann folgen alle anderen Staaten in alphabetischer Reihenfolge (und ohne Kommentare meinerseits).
In Österreich sehen wir mehrere interessante Details:
- Bei den Maßnahmen waren wir immer sehr weit oben (orange Linie) – und sind es immer noch. Selbst im Sommer 2020 lagen wir gleichauf mit heute. Seit April 2020 lag der Wert nie mehr unter 35!
- In Österreich gibt es mehr offizielle C19-Todesfälle als es Übersterblichkeit gab – Das heißt, dass wir ohne die offiziellen C19-Todesfälle DURCHGEHEND eine Untersterblichkeit gehabt hätten! Damit sind wir europaweit nicht alleine – schaut euch die anderen Grafiken an – immer wenn die gepunktete Linie über der durchgehenden violetten liegt, ist das auch so!
- Wir haben seit Jänner 2022 keine Zahlen mehr zu den „vollständig Geimpften“ – Erklärung siehe weiter oben!
- Bei den Boosterungen liegen wir sehr weit vorne und hatten zwischen September 2021 und Februar 2022 einen extrem schnellen Anstieg. Auch hier vermute ich, dass die Vier- Fünf- oder Sechsfachgeimpften immer wieder als neue „Booster“ mitgezählt werden.
FAZIT
Egal, welche „Seite“ der immer noch sehr verhärteten „Fronten“ in unserem Land sich diese Grafiken ansieht: Jede wird ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen versuchen.
Die einen werden sagen, dass ihnen auffällt, dass in Staat X oder Y die Übersterblichkeiten sehr gut zu den Impfquoten passen.
Die anderen werden Staat Z oder A anführen und behaupten, dass genau zu sehen ist, dass durch die Impfungen die Übersterblichkeitskurve eingebremst wurde.
Das passiert, wenn wir andere Details außer acht lassen – wie etwa die Jahreszeiten. Denn natürlich steigen die Todesfallzahlen im Herbst und Winter eher an als im Frühling oder Sommer.
Allerdings ist es zum Beispiel bei Österreich schon interessant, dass die Übersterblichkeit immer weiter angestiegen ist und fast gar nie zurück ging. Oder dass die Zahl der Covid-Todesfälle nach der zweiten Welle eigentlich kontinuierlich weiter steigt – unabhängig von Jahreszeit, Covid-Wellen oder Impf-Quoten-Anstieg.
In unserem Nachbarland Schweiz dreht sich das Ganze gerade: Da war lange die Covid-Sterblichkeit höher als die allgemeine Übersterblichkeit – das ist zuletzt nicht mehr so!
Deutschland, ein anderer Nachbar von uns, fällt durch etwas Spezielles auf: Nirgendwo sonst ist der Maßnahmenindex zuletzt stark ANGESTIEGEN, wenn wir von Ungarn absehen, wo es von NULL auf leichte Maßnahmen gestiegen ist Mitte August.
Zum Schluss noch eine Grafik, die zeigt, wie die offiziellen C19-Todesfälle sich auswirken, wenn wir sie von der Übersterblichkeit „abziehen“ – plötzlich haben neben Luxemburg noch 13 andere Länder eine Untersterblichkeit momentan!