Erbsen, Freaks und Todesfälle

Vielen meiner LeserInnen ist Marcel Barz ein Begriff, der „Erbsenzähler“ aus Deutschland. Er hat recht früh in der Pandemie mit einem Video auf sich aufmerksam gemacht in dem es um die Rohdaten der Pandemie ging. In den letzten Tagen kursiert ein weiteres Video von ihm, in dem es um die Sterberaten in Deutschland geht – dazu habe ich viele Nachrichten und auch Anfragen bekommen. Ich habe versucht, das auf meine Weise für Österreich darzustellen und dazu kommt jetzt ein längerer Text.

Disclaimer: So wie Marcel Barz ist mir durchaus bewusst, dass der Tod nicht nur etwas ist, das jedem Menschen irgendwann bevorsteht, sondern auch viel Schmerz, Trauer und Emotionen hervorruft. Auch mir geht es nicht darum, Todesfälle kleinzureden oder die emotionale Seite, die damit verbunden ist, zu negieren. Auf der anderen Seite gibt es zu den Todesfällen relativ genaue Zahlen. Diese eignen sich gut zur Analyse und wenn ich von Toten und Verstorbenen und Todesfällen schreibe, dann immer in dem Wissen, dass der Verlust eines geliebten Menschen Schmerz verursacht. Mein Mitgefühl gilt allen Menschen, die durch Todesfälle einen solchen Verlust erleiden müssen.

Die österreichischen Daten zu den Verstorbenen gibt es bei der Statistik Austria in verschiedenen Datenbanken. Ich war während der Pandemie gewohnt, die Daten in groben Altersgruppen recht bald einsehen zu können und in den feineren Altersgruppen (5-Jahres-Altersgruppen von „0-4 Jahren“ bis „95 Jahre und älter“) spätestens einige Wochen nach dem Sterbedatum. Das hat sich seit Sommer 2023 geändert. Die Statistik Austria liefert nur mehr einmal monatlich am Monatsende ein Update (früher wöchentlich), das enthält derzeit zum Beispiel Daten bis zum 12. November – das ist nicht einmal bis Monatsmitte des vorangegangenen Monats. Und die letzten Wochen können sich dann bis zum nächsten Update (zum Jahreswechsel) noch einmal ändern. Demnach werden wir frühestens Ende Jänner erste Daten für das gesamte Jahr 2023 haben, außer es gibt schon früher im Jänner einen „Sonderbericht“.

Das „Sterberisiko“ in Altersgruppen

Meine Datenbasis sind die Tabellen, in denen 20 Altersgruppen enthalten sind – jeweils 5 Lebensjahre umfassend – und das seit dem Jahr 2000. Davor gibt es keine solchen Daten mit diesen Altersgruppen zum Download in Österreich.

Wenn wir nun alle Wochen von der KW 1 im Jahr 2000 bis zur KW 45 im Jahr 2023 zusammenfassend betrachten sehen wir folgendes, wenn es darum geht, wie viele Menschen durchschnittlich pro Jahr in den einzelnen Altersgruppen verstorben sind:

Insgesamt (ganz links in gelb) starben pro Jahr und 100.000 EW genau 931 Menschen. Das sind 0,931% der Bevölkerung. Dadurch, dass ich das jeweils für 100.000 Menschen berechne, habe ich zwei Vorteile: Erstens kann ich alle Altersgruppen miteinander vergleichen auch wenn sie unterschiedlich groß sind und zweitens wird berücksichtigt, wie viele Menschen in jedem Jahr in den einzelnen Altersgruppen gelebt haben. So sind zum Beispiel die „Babyboomer“ der 60er-Jahre heute alle etwa 4-5 Altersgruppen weiter oben zu finden als im Jahr 2000. Damals waren sie zwischen 30 und 40 Jahre alt, heute sind sie zwischen 53 und 63 Jahre.

Wir erkennen sofort, dass das Risiko zu sterben mit zunehmendem Alter sehr stark zunimmt. Wenn wir allerdings genauer darauf achten, um wie viel sich das Sterberisiko verändert, wenn jemand in die nächste Altersgruppe kommt, erleben wir mehrere Überraschungen:

  • Zweimal SINKT das Risiko, wenn wir älter werden:
    • einmal, und das sehr deutlich bei den Kindern – das hat damit zu tun, dass bis zum ersten Geburtstag verhältnismäßig viele Babies sterben im Vergleich zu den Folgejahren. Das sorgt dafür, dass in der Altersgruppe unter 5 Jahren mehr Menschen pro 100.000 EW sterben als in allen anderen Altersgruppen unter 40 Jahren!
    • der zweite Rückgang, auch wenn er sehr gering ist, findet beim Wechsel von 20-24 Jahren in die Gruppe der 25-29-Jährigen statt. Ich kann mir vorstellen, dass das damit zu tun hat, dass ab 25 die meisten der Pubertät mit all ihren Umstellungen und Hormonschwankungen entwachsen sind und damit verbunden manche Todesarten zurückgehen, die damit verbunden sind.
  • Dazu passt auch, dass der „gefählichste Wechsel“ bei den Altersgruppen der von 10-14 Jahren auf 15-19 Jahre ist. Dabei steigt das Risiko zu sterben EXTREM stark an. Bitte bei diesem Wert nicht vergessen, dass es sich dabei um eine Veränderung von 10 Todesfällen pro 100.000 (0,01%) auf 38 Todesfälle (0,038%) handelt. Das sind immer noch wenige Todesfälle, allerdings eben DEUTLICH mehr als in der Altersgruppe davor.
  • Der zweitgrößte Ansteig der Todeszahlen liegt zwischen der Gruppe der 80-84-Jährigen und den Menschen im Alter von 85-89 Jahren. Da verdoppelt sich die Zahl der Verstorbenen pro 100.000 Menschen fast mit 91%.
  • Interessant fand ich, dass das die Zunahme des Risikos zu sterben innerhalb eines Jahres beim Wechsel in die nächsthöhere Altersgruppe bei 90-94-Jährigen gleichhoch ist wie bei 45-49-Jährigen.

Fazit aus diesem Kapitel

Je älter wir werden (mit zwei Ausnahmen), desto größer ist das Risiko, zu sterben. Bei den Menschen ab 95 Jahren versterben im Schnitt seit dem Jahr 2000 mehr als 36% innerhalb eines Jahres. Bei den Kindern im Alter von 5 bis 9 Jahren sind es nicht einmal 0,009%. Das ist um um mehr als 4.200 Mal weniger als bei den ältesten EinwohnerInnen in Österreich. (Exkurs: Das war auch während der Pandemie nicht viel anders!)

Die einzelnen Altersgruppen und die Pandemie

Hier folgt nun eine Erklärung, wie die Daten für die einzelnen Altersgruppen zustandekommen. Die erste Grafik zeigt uns allerdings die nackten, absoluten Zahlen für ALLE Todesfälle seit dem Jahr 2000:

Wir erkennen sofort, dass es immer wieder Spitzen im Winterhalbjahr gibt und Phasen mit weniger Toten im Sommer. Weiters ist an dem automatisch von Excel berechneten „Trend“ (graue breite Linie) gut zu sehen, dass die Todeszahlen zunehmen seit dem Jahr 2000. Die Pandemie ist orange eingefärbt und wir erkennen die drei dortigen „Spitzen“ bei den Todesfällen, von denen vordergründig die erste den höchsten Wochenwert seit dem Jahr 2000 zeigt. In der KW 49 im Jahr 2020 starben demnach 2.544 Menschen – der zweithöchste Wert stammt aus der KW 1 des laufenden Jahres mit 2.365 Menschen, gefolgt von der KW 2 aus dem Jahr 2017 mit 2.340 Todesfällen in einer Woche.

Wollen wir das berücksichtigen, müssen wir die Todeszahlen in Relation zur Bevölkerung setzen. Und weil wir alle noch von Covid an die „Inzidenzen“ pro 100.000 gewöhnt sind, wähle ich hier ebenfalls diese Darstellung. Es bleiben natürlich die gleichen Wochen auffällig, auch der höchste Wert stammt weiterhin aus der KW 49 im jahr 2020. Allerdings ist jetzt der Wert aus dem Jahr 2000 höher als jener von 2021 und die Grippewelle des Jahres 2017 liefert nun den zweithöchsten Wert aller Einzelwochen. Der Anstieg der Todesfälle, der bei den absoluten Zahlen im Trend noch von 1.400 auf ca. 1.600 (+14%) angestiegen ist, fällt nun mit einem Anstieg von etwa 17,5 auf 18,2 (+4%) deutlich geringer aus.

Damit etwas besser erkennbar ist, wie lange und hoch die Phasen mit erhöhter Sterblichkeit sich auswirken, habe ich hier eine weitere Kurve eingebaut: Darauf sind die 13-Wochen-Durchscnittswerte dargestellt – also die Quartalswerte. So sehen wir, dass weiterhin das Jahr 2020 das mit den meisten Todesfällen pro 100.000 EW bleibt, danach liegen nun allerdings das Jahr 2000 und 2017 Vor den Jahren 2021 und 2022. Was sich nun jedoch ebenfalls zeigt sind zwei ungewöhnlich langgezogene Wellen in den Jahren 2021 und 2022, zwischen denen sich die Sterblichkeit nie unter die Trendlinie bewegt. Das war zwar genauso von 2001 bis 2003 der Fall, allerdings gab es damals mit Ausnahme von 2003 auch keine hohen Werte nach oben und die „Entspannungsphase im Jahr 2003 war deutlich länger als in den letzten Jahren.

Zu guter letzt kommt noch eine dritte Kurve dazu (rot): Sie zeigt uns den jeweils angepassten saisonalen zu erwarteten Wert. Dazu habe ich aus allen 24 Jahren den Mittelwert der einzelnen Wochen berechnet und diesen dann an die Jahres-Sterblichkeit angepasst dargestellt. Hier können wir gut die Abweichungen von der zu erwarteten Norm der einzelnen Wochen betrachten (Vorsicht, am Schluss sind die Werte mangels der fehlenden letzten Wochen des Jahres 2023 noch ungenau!). Die Jahre 2003, 2005, 2009, 2012, 2015, 2017 und 2018 fallen vor der Pandemie auf. Besonders auffallend ist auch das Jahr 2022 mit zwei klar getrennten „Wellen“ mit vielen Sterbefällen.

Die einzelnen Altersgruppen

Wie sieht es nun bei den einzelnen Altersgruppen aus? Das Ganze ist ja oft mehr als die Summe seiner Teile – wo zeigen sich Auffälligkeiten in den einzelnen Altersgruppen? Die Darstellung ist nun immer so gewählt wie oben beim Beispiel mit allen Todesfällen.

Kleinkinder bis 5 Jahre

Eine der erfreulichsten Grafiken ist diese hier für mich: Bei den Kleinkindern sinken die Todesfälle seit dem Jahr 2000 kontinuierlich ab. Es gibt zwar Ausreißer nach oben wie im Jahr 2003 oder 2010 bei den Quartals-Durchschnittswerten, diese sind jedoch die Ausnahme. Auch kurz vor dem Ausrufen der Pandemie gab es zweimal eine Phase mit mehr Todefällen als zu erwarten gewesen wären, einmal im Frühherbst 2019 und einmal im Februar 2020.
Die Spitzenwerte pro 100.000 Kleinkinder in den Einzelwochen gingen von 4,5 Todesfällen unter 100.000 Kindern unter 5 Jahren (2000) auf maximal 2,8 Todesfälle im Jahr 2022 zurück. Letzteres war der höchste Wert seit November 2015. Je einmal gab es im Jahr 2008 und 2015 keinen einzigen Todesfall bei Kindern im Alter von 0-4 Jahren zu beklagen.

5-9 Jahre

Etwas anders sieht es bei der Altersgruppe aus, bei der es die wenigsten Todesfälle in Österreich gibt: Die Kinder von 5 bis 9 Jahren haben ganz viele Wochen seit dem Jänner 2000, in denen es keine Todesfälle gab. Auffallende Schwankungen – vor allem bei den Quartalswerten – sind selten, kamen teilweise vor 2005 vor, danach nur mehr im Jahr 2011 und 2013. Das Jahr 2022 und der Winter 2022/23 stechen allerdings ungut hervor: Erstens gab es mit 1,1 Todesfällen pro 100.000 Kindern in der KW 48 des Jahres 2022 den höchsten Wert seit dem Sommer 2005 und zweitens gab es eine auffallend lange Phase mit gegenüber dem Trend erhöhten Werten im vergangenen Winter, nachdem davor jahrelang keine solch auffallenden Werte zu beobachten waren. Umgekehrt gab es im Winter 2020/21 – also relativ früh in der Pandemiezeit und zu einer Zeit, als in Österreich alle Schulen größtenteils geschlossen waren und noch vor dem Einsatz von Masken oder Impfungen bei Kindern – eine Phase von 12 Wochen ohne einen einzigen Todesfall in dieser Altersgruppe. Das gab es davor seit dem Jahr 2000 noch nie. Auch von Mitte April 2022 bis Anfang Juni 2022 gab es 8 Wochen am Stück keinen einzigen Todesfall in dieser Altersgruppe. Umso mehr fallen dann die drei Wochen von 20. Februar 2023 auf, in denen die Zahlen ungewöhnlich hoch waren wie lange Zeit davor nicht mehr.

10-14 Jahre

Wenig Auffälliges gibt es bei den „Teens“ zu sehen. Die Todeszahlen, die die zweitniedrigsten nach der „Volksschulgruppe“ sind, sinken kontinuierlich leicht ab, es gibt kaum Ausreißer nach oben. In der Pandemiezeit gibt es wenig Ausffälliges, am ehesten noch die Zeit im Frühjahr 2023, wo es ebenfalls im Februar und März mehrere Wochen hindurch mehr Todesfälle als üblich gab.

15-19 Jahre

Bei den nächsten Altersgruppen habe ich mich entschieden, jeweils zwei Grafiken zu posten. Der Grund liegt bereits mehr als 20 Jahre zurück: In der KW 45 des Jahres 2000 kam es in Kaprun zu dem tragischen Seilbahnunglück, bei dem viele sehr junge Menschen ums Leben kamen. Dieses Ereignis zeigt sich bei den 15 bis 19 Jahre alten Menschen deutlich in der einen Woche des Unglücks:

Die 4,5 Verstorbenen pro 100.000 Menschen sind so hoch als Wochenwert, dass die Veränderungen der anderen Wochen nur mehr schwer zu erkennen sind durch die Skalierung. Daher gibt es darunter die gleiche Grafik mit einer auf das Maximum von 3 Todesfällen pro 100.000 reduzierten Skala. Die gute Nachricht in dieser Gruppe: Auch hier sinken die Zahlen ab. Die schlechte ist die Entwicklung ab etwa Juni 2021, wo sich die Kurve des Quartals-Mittels ganz klar über dem Trend bewegt und auch dort bleibt bis zuletzt. Die KW 33 diesen Jahres ist zudem die mit dem höchsten Wert seit dem Jahr 2007.

20-24 Jahre

Ganz Ähnliches gibt es bei den 20 bis 24 Jahre alten Menschen aus Österreich zu beobachten: Auch hier ist die KW 45 aus dem Jahr 2000 sehr eindrücklich zu erkennen und zeigt das Ausmaß so einer Katastrophe sehr klar. Weiters fällt auch hier die Zeit ab Juni 2021 deutlich auf, auch wenn es hier kurzzeitig zumindest ansatzweise leichte Entspannung zu sehen gibt. Während es im Jahr 2019 und 2020 fünf bzw. 4 Wochen ohne Todesfälle in dieser Altersgruppe gab, gab es 2021 nur eine solche Woche, 2022 waren es drei und 2023 gab es bisher keine einzige Woche ohne Todesfälle bei den Menschen in diesem Alter. Gleichzeitig gab es seit 2011 kein Jahr mehr, in dem es mehr Wochen mit über einem Todesfall pro 100.000 Menschen gab als 2022, wo das in 18 der 52 Wochen der Fall war. Nur 2019 weist mit 10 solcher Wochen zuletzt ebenfalls eine zweistellige Zahl auf, sonst waren es nie mehr als halb so viele wie im Jahr 2022.

25-29 Jahre

Im Wahrsten Sinne des Wortes „Glück im Unglück“ hatten offensichtlich im Jahr 2000 die 25-29-Jährigen, wo die Woche mit dem Seilbahnunglück nicht heraussticht. Was sehr wohl auffällt, ist die Zeit ab Jänner 2022 mit einer Phase erhöhten Sterbegeschehens bis Ende des Jahres. Die vierte Kalenderwoche des Jahres 2023 zeigt zudem den höchsten Einzelwert seit 10 Jahren und das laufende Jahr 2023 zeigte ebenfalls zuletzt einen Trend zu mehr Sterbefällen – ob sich das in den Winter hinein fortsetzen wird, bleibt abzuwarten.

30-34 Jahre

Einerseits ist bei den Menschen von 30 bis 34 Jahren das Seilbahnunglück in Kaprun wieder zu sehen, andererseits gibt es weniger Auffälligkeiten während der Pandemie. Seit der KW 49 im Jahr 2015 gab es in dieser Altersgruppe kein einzige Woche mehr ohne einen Todesfall. Davor gab es seit 2005 vier solcher Wochen.

35-39 Jahre

Bei den Menschen im Alter von 35 bis 39 Jahren gab es mit 3,7 Todesfällen pro 100.000 Einwohner in der KW 15 des Jahres 2000 die höchste Zahl an Verstorbenen in den letzten 24 Jahren. Auch die KW 45 (Kaprun) im selben Jahr fällt noch mit hohen Zahlen auf. Nach dem Jahr 2005 gab es niemals mehr über 3 Verstorbene pro 100.000 EW in dieser Altersgruppe. Bis zur KW 23 im Jahr 2022 – damals gab es Anfang Juni 3,1 Todesfälle pro 100.000 Menschen aus dieser Altersgruppe. Und ähnlich wie bei den Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren gibt es eine auffällige Steigerung des Quartals-Schnitts ab dem Jahr 2021, die in dieser Altersgruppe bis heute andauert.

40-44 Jahre

Mehr oder weniger dasselbe gilt für die Menschen von 40 bis 44 Jahren. Der höchste Wert stammt aus dem Jahr 2000 und seit 2021 (in dem Fall erst in der zweiten Jahreshälfte) steigen die Werte deutlich über die „Trenlinie“ an.

45-49 Jahre

Marcel Barz nennt die Form dieser Kurven immer „Hockeyschläger“, weil sie zuerst abwärts gehen und dann gegen Ende wieder anzusteigen beginnen.

Da meine Grafiken in einem anderen Format dargestellt sind und darum nicht so „hoch“ sind, sieht das bei mir zwar flacher aus, es läuft jedoch auch auf dieses Prinzip hinaus. Auch bei dem 45-49-Jährigen sinken die Werte tendenziell seit der Jahrtausendwende, steigen jedoch zuletzt an – auch wenn es hier Mitte 2022 eine kurze Entspannung gab.

50-54 Jahre

Bei den 50-54 Jahre alten Menschen ist der „Hockeyschläger“ am Schluss etwas abgebrochen. Zwar gab es auch hier über das gesamte Jahr 2021 zu hohe Werte beim Sterbegeschehen, allerdings entspannte sich dann die Situation im Jahr 2022 wieder etwas, bevor es Anfang 2023 noch einmal eine kurze Phase mit vielen Todesfällen gab.

55-59 Jahre

Ab hier beginnt sich das Bild langsam zu ändern. Während vorher keine klare Unterscheidung zwischen Sommer- und Winterhalbjahr zu erkennen war, zeigen sich bei den 55 bis 59-Jährigen erste Ansätze in diese Richtung:

Während der letzten Jahre fallen vor allem der Zeitraum rund um den Jahreswechsel 2021/22 auf, als die Werte eher hoch waren. Trotzdem lag der Quartalsschnitt, der ab hier teilweise ebenfalls beschriftet ist (blaue Zahlen) nicht höher, als er vor 2009 durchgehend war.

60-64 Jahre

Die fünf Jahrgänge ab dem Alter von 60 zeigen bereits einen deutlich ausgeprägten Unterschied zwischen Winter und Sommer. Außer den Jahren 2013, 2016, 2018 und 2019 waren ALLE Jahre in Sachen Todesfälle schlechter als die drei Pandemiejahre, wo der Quartals-Schnitt nie über 17,3 Todesfälle pro 100.000 Menschen gestiegen ist, auch wenn einzelne Wochen daraus durchaus auffallen. Am meisten fällt das Jahr 2021 auf, in dem es nur ganz kurz im vierten Quartal Zahlen gab, die unter der Trendlinie liegen.

65-69 Jahre

Ganz ähnlich sieht es bei den Menschen im Alter von 65 bis 69 Jahren aus. Hohe Einzelwochenwerte aus der Pandemiezeit liegen deutlich niedriger als die Rekordwochen Anfang des Jahrtausends. Von den Jahren 2020, 2021, 2022 und 2023 ist das Jahr 2020 bis gegen Ende unauffällig, die anderen drei Jahre hingegen sehr wohl „anders“.

70-74 Jahre

Bei den 70-74-Jährigen ist praktisch die gesamte Pandemiezeit „auffällig“. Ab dem Jahreswechsel 2020/2021 bis zur offiziellen Beendigung der Pandemie im Juni 2022 liegen die Quartalswerte immer über dem Trend. Die Einzelwochenwerte erreichen in etwa das Niveau der Grippewelle zu Beginn des Jahres 2021.

75-79 Jahre

Bei den 75-79-Jährigen fallen Jahre wie 2016 oder auch 2014 genau so stark auf durch ihre unterdurchschnittlichen Zahlen wie 2000, 2003, 2009 oder 2017 durch ihre hohen Werte für einzelne Wochen. Niemals zuvor gab es jedoch Werte wie 2021, 2022 und 2023. Nach einem in Sachen Sterblichkeit eher milden Winter 2019/20 gab es danach drei Jahre in Folge deutlich überhöhte Werte. Und nur im Sommer 2021 gab es ganz kurz eine Entspannung – in den beiden anderen Jahren lagen auch die Zahlen in den Sommermonaten deutlich über dem langjährigen Trend.

80-84 Jahre

Wenn es eine Altersgruppe gibt von allen bisher aufbereiteten, in der es in der Herbstwelle 2020 viele Todesfälle gab, dann war es wohl di der 80 bis 84 Jahre alten Menschen. Der höchste Einzelwochenwert liegt zwar niedriger als die Werte von 2000, 2003 oder 2005 und auch der Schnitt des Quartals war damals höher als im Jahr 2021, allerdings waren damals die Todesfälle im Mittel ungefähr bei 130 bis 145 Menschen pro Woche und 100.000 Menschen und im Jahr 2021 bei etwa 110. So gesehen war der Winter 2020/2021 wohl der mit den meisten Todesfällen seit dem Jahr 2000, was die Abweichung von der Norm betrifft.
Mindestens gleich auffällig finde ich jedoch die Winter 21/22 und 22/23, als es zu sehr langgezogenenen Wellen kam. Das gab es zwar auch schon in manchen Jahren davor, diese waren jedoch immer dann zu finden, wenn nur leichte Abweichungen von der Trendlinie zu sehen sind. In den vergangenen zwei Wintern waren das jedoch durchaus starke Abweichungen.

85-89 Jahre

Für die 85 bis 89 Jahre alten Personen gilt ähnliches wie für die 5 Jahre jüngeren Menschen. Die Unterschiede sind, dass einerseits die Welle im Winter 2020/2021 etwa zwei Wochen später zu sehen ist und deutlich höher ist und andererseits gibt es danach noch längere Phasen mit erhöhter Sterblichkeit im Quartalsschnitt ab etwa November 2021. Die höheren Werte können auch dadurch erklärt werden, dass es deutlich weniger Menschen in dieser Altersgruppe gibt als bei den 80-84-Jährigen. Dadurch wirken sich – bei Berechnung auf 100.000 Menschen – die Todesfälle stärker aus.
Der höchste Wert von 371,5 Verstorbenen in KW 49 im jahr 2021 ist jedoch noch um einiges niedriger als die 421,2 Todesfälle pro 100.000 Menschen ganz zu Anfang unseres Jahrtausends. Die Quartalswerte (dunkelblaue Linie) waren 2004, 2003 und vor allem 2000 ebenfalls höher als im Jahr 2021.

Seltsam ist, dass die normalerweise auf hohe Wellen folgenden Phasen mit deutlich unter dem Trend liegenden Zahlen seit 2021 nicht wirklich zu sehen sind – am ehesten noch im laufenden Jahr 2023.

90-94 Jahre

Die 90-94 Jahre alten Menschen weisen eine Besonderheit auf, die auch für die letzte noch folgende Altersgruppe gilt: Es leben weniger als 100.000 Menschen in dieser Gruppe. Trotzdem macht es Sinn, die Todesfälle pro 100.000 Menschen anzugeben, denn nur so sind die Werte vergleichbar mit den anderen Gruppen. Was fällt auf?

  • Der Höchstwert der Pandemie wird von vier Spitzenwerten aus anderen Jahren übertroffen. Das ist darum interessant, weil es bei den Gruppen vorher tendentiell weniger Wochen wurden, die höhere Zahlen aufwiesen.
  • Dafür ist der Quartals-Schnitt der zweithöchste seit dem Jahr 2000.
  • Von September 2021 bis Mai 2022 gab es keine einzige Woche, in der die Einzelwochenwerte unter dem Trend lagen. Nie zuvor gab es so lange eine Phase mit erhöhter Sterblichkeit in den letzten 24 Jahren. Auch im Winter 2022/23 gab es eine sehr lange Phase mit Wochen mit solchen überdurchschnittlich hohen Zahlen.
  • Erst quasi mit der offiziellen Beendigung der Pandemie und der Maßnahmen endet diese Phase mit erhöhter Sterblichkeit.

Die ältesten Menschen: 95 Jahre und älter

Vielleicht ging es vielen so wie mir, die diesen Bericht bis hierher gelesen haben. Sie haben erwartet, dass nun, bei den Menschen ab 95 Jahren, noch einmal besonders hohe Wochen und Quartalswerte zu sehen sind. Dem ist jedoch gar nicht so.
Und noch zwei andere Fakten haben mich überrascht: Die Sterblichkeit der Menschen, die älter als 95 Jahre werden, ist im Gegensatz zu anderen Altersgruppen ab 60 Jahren über 24 Jahre quasi unverändert geblieben, wenn wir den Trend ansehen. Und die sonst fast überall zu erkennende „Welle“ bei den Todesfällen anfangs des Jahres 2000 ist hier nicht wirklich so auffällig bei einzelnen Wochen, sondern nur im Gesamten des Quartals.

Was sofort auffällt: Die Grippewelle 2017 war sowohl bei den Einzelwochen als auch bei der Quartalssterblichkeit die fatalste Zeit seit dem Jahr 2000 in dieser Altersgruppe.
Weiters fällt auf, dass auch hier der Winter 2022/23 schlimmer war als der von 2021/22. Seltsam ist auch, dass es Ende März 2022 zu einer ungewöhnlich hohen Zahl von Todesfällen kam.

Noch ein Wort zur Grippewelle 2017: Damals starben in der zweiten Kalenderwoche alleine fast 1,4% aller Menschen ab 95 Jahren – das ist etwa jede 72. Person in diesem Alter innerhalb einer Woche!

Eine Schlussgrafik

Zum Abschluss noch ein interessantes „Bild“ des Sterbegeschehens seit 2000:

Auf dieser „Heatmap“ ist zu erkennen, in welchen Wochen je Altersgruppe das Sterbegeschehen eher zu hohen oder zu niedrigen Zahlen führt. Links sind die Kalenderwochen von 1 bis 52 angeführt, oben die Altersguppen (ganz rechts sind alle zusammengefasst). Die roten Bereiche weisen auf Wochen mit hoher Sterblichkeit hin, die grünen auf Wochen mit niedrigen Zahlen. Wir sehen den „Schnitt“, den ich schon in den Einzelgruppen angesprochen habe, bei 55 Jahren: Ab diesem Alter beginnt sich das Sterbegeschehen vor allem auf die Winterwochen zu verlegen, die am Anfang und am Ende des Jahres liegen. In den anderen Altersgruppen ist das nicht so erkennbar. So ist etwa die Kalenderwoche 19 offensichtlich die, in der es bei den Kindern bis 5 Jahren in den letzten 24 Jahren die meisten Todesfälle gegeben hat. Vor allem bei den Pubertierenden und den „Spätpubertären“ scheinen die Sommerwochen die „gefährlichsten“ zu sein. Bei den 20-24-Jährigen ist sogar bei dieser Darstellung noch das Seilbahnunglück in der KW 45 des Jahres 2000 deutlich zu erkennen.
*Ironiean*: Wäre ich übrigens mit so einem Wissen ein „Modellierer“ oder gar ein Experte, würde ich jedes Jahr spätestens Mitte November vor erhöhter Sterblichkeit zu warnen beginnen… 😉 *Ironieaus*

FAZIT

FAZIT 1:
Das Fazit aus all diesen Berechnungen und Tabellen ist in erster Linie: Lest euch bitte alle die einzelnen Kapitel durch, nur dann gewinnt ihr selbst mehr Einsicht darüber, wie komplex dieses Thema ist! Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn ihr mehr erfahren wollt über die Sterblichkeit der einzelnen Altersgruppen in den letzten Jahren. Wer sich selbst schon so „gebildet“ hat, dass daraus eine unumstößliche Meinung wurde, der kann sich das Lesen des Ganzen ersparen und dann in allen Foren und Sozialen Medien und anderenorts, wo es die Möglichkeit dazu gibt, seine feste Meinung dazu preisgeben.
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass folgendes verhindert wird: Jemand, der in meinen Daten und Berechnungen Fehler zu erkennen glaubt, oder jemand, der Anregungen dazu abgeben will: Bitte scheut euch nicht, das zu tun – gerne auch per Email! Ich versuche, trotz Weihnachtsstress alles zu lesen und zu reagieren!

FAZIT 2:
Nur wenn wir die Todesfälle aller Altersgruppen zusammen ansehen, war der Winter 2020/21 der schlimmste in Sachen Sterbegeschehen seit dem Jahr 2000. Bei ALLEN Einzelgruppen gab es noch andere Wochen und Quartale, die mehr Todesfälle aufweisen. Wie es das geben kann? Offensichtlich waren bei allen anderen „Wellen“ manche Altersgruppen so stark davon ausgenommen, dass das dazu führt, dass der Gesamtschnitt insgesamt dort niedriger liegt.
Was mir persönlich Sorgen bereitet, sind die Altersgruppen ab 15 Jahren, in denen es zuletzt einen signifikanten Anstieg beim Sterbegeschehen gab gegenüber dem langjährigen Trend. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Ich vermute hier durchaus komplexe Ursachen dahinter und keine „einfachen Lösungen“. Ausgenommen davon scheinen – leider auch mit Einschränkungen – nur die allerjüngsten zu sein – die Kinder unter 10 Jahren und die Jugendlichen bis 14 Jahre.
Auffallend ist, dass es ganz viele Gruppen sind, in denen dieses „erhöhte Sterbesignal“ ab dem Jahr 2021 beginnt. Hoffnung gibt, dass es in manchen Gruppen im letzten halben Jahr deutliche Entspannungstendenzen gab. Ob diese auch den kommenden Winter über andauern, wird sich zeigen. Leider gibt es derzeit noch keinerlei Daten über die letzten, durchaus kalten Wochen.