Immer wieder taucht sie derzeit auf, die Übersterblichkeit. Die eine „Seite“ schreibt, dass nur die Covid-Impfstoffe daran schuld sind. Die andere zählt zwar automatisch alle offiziell an oder mit Covid Verstorbenen zu den überzählig Gestorbenen (also zu denen, die quasi sonst nicht in dem Jahr/der Woche verstorben wären), aber die anderen werden als „vor allem angeschlagene und ältere Menschen“ oder „Kollateralschäden durch Einschränkungen im Gesundheitssystem“ bezeichnet (siehe https://orf.at/stories/3296306/). Ich glaube, dass wie immer beide Seiten nicht oder nur ein bisschen recht haben. Ich weiß es jedoch nicht.
Was ich tun kann, ist, aufzuzeigen, wie so eine Übersterblichkeit dargestellt wird, und wie sie aussieht in Österreich zur Zeit. Die Quellen sind (bis auf die Covid-Todesfälle der AGES) alles Zahlen der Statistik Austria.
Vorbemerkung: Die Zahlen für das Jahr 2022 musste ich „hochrechnen“, weil ja noch 8 Wochen bei der Statistik Austria fehlen bei den Zahlen zu den Todesfällen der 5-Jahres-Altersgruppen, welche die Basis dieser Daten darstellen. Ich habe dafür errechnet, wie viele Prozent im Schnitt der Jahre 2002 bis 2019 noch zu erwarten sind und das dann mit berücksichtigt bei den aktuellen Summen für das Jahr.
Einführung ins Thema
Minima und Maxima
Wie viele Menschen sterben in Österreich pro Woche? Es waren in den Jahren 2002 bis 2019 zwischen 1.185 und 2.340 pro Woche. Das ist ein Unterschied von 1.155 Todesfällen zwischen der Woche mit den wenigsten Todesfällen und der mit den meisten! Die Wochen mit den meisten Todesfällen liegen ganz am Ende des Jahres und am Anfang, die mit den wenigsten alle in den Sommermonaten.
So sieht das Ganze aus, wenn wir es als Grafik darstellen. Interessant finde ich, dass die Zahl der Minima nicht so stark schwankt wie die der Maxima. Die nur alle paar Jahre vorkommende KW 53 habe ich hier weg gelassen.
Bei den Maxima ist der Unterschied zwischen dem niedrigsten Wert (1.452 Anfang September) und dem höchsten (2.340 im Jänner) mit 888 Todesfällen sehr beachtlich, bei den Minima ist er mit 333 (mit 1518 stammt der höchste Wert der Minima aus dem Februar) nicht einmal halb so groß.
Die absoluten Zahlen
Das sind jetzt alle Jahre von 2002 bis 2022 in absoluten Zahlen. Wir erkennen sofort, dass die Werte im Winter viel höher als im Sommer sind. Auch die beiden Herbstwellen 2020 und 2021 fallen auf, genauso auch die Grippewelle 2016/2017.
Was wir aus dieser Grafik unmöglich erkennen können, sind die Gesamtzahlen übers Jahr verteilt… die sehen dann so aus:
Hier habe ich vier Jahre farblich hervorgehoben (gelber Rahmen), weil das die Jahre mit 53 Kalenderwochen sind – das war auch beim Jahr 2020 so. Ich habe mir erlaubt, diese zusätzliche Woche weg zu lassen, denn sonst würden die Zahlen so aussehen, weil hier eine Woche mehr dabei ist als bei den anderen Jahren:
Was zu sehen ist: Die Zahl der Todesfälle steigt generell an in Österreich…
doch halt!
Was hier nicht berücksichtigt wird, ist die Zahl der Einwohner Österreichs! Die Bevölkerung wächst ja an, daher ist es auch logisch, dass mehr Menschen sterben.
Die Zahlen pro 100.000 EW
So sieht das ganze aus, wenn wir es pro 100.000 EW betrachten:
Ich habe die KW 53 außen vor gelassen – trotzdem sehen wir sofort: Der Anstieg der Zahlen ist gar nicht so hoch, wie es zuerst den Anschein hatte. Trotzdem bleiben die letzten drei Jahre ganz vorne bei den Todeszahlen.
Um die Unterschiede besser zu erkennen, habe ich die Skalierung links angepasst (sie beginnt auf der Grafik unten bei 800, nicht bei 0 wie oben):
Was hier ebenfalls mit eingezeichnet ist, sind die offiziellen Todesfälle mit oder an Covid. Wir erkennen einerseits, dass die Jahre 2015 (dunkelorange) und 2002 und 2003 neben den letzten drei Jahren die höchste Zahl an Todesfällen hatten. Und wenn wir die Todesfälle an oder mit Covid einfach abziehen und das tun, was derzeit oft gemacht wird (also so tun, als hätten alle Covid-Todesfälle das Jahr überlebt), dann wäre 2020 in etwa gleich gewesen wie 2019, 2021 sogar noch niedriger – nur 2022 bleibt dann in etwa auf dem Niveau von 2015.
Jetzt gehen wir wieder zurück zu den Wochen und schauen uns die Kurven an, die dann entstehen:
Wieder sind klar die beiden Herbstwellen zu erkennen, zudem auch die Grippewelle 2016/17. Was interessanterweise kaum auffällt, ist das Jahr 2015, das ja durchaus überdurchschnittlich war in Sachen Sterbefälle.
Hier ist das ein wenig besser zu sehen, weil nur mehr die letzten drei Jahre und 2015 zu sehen sind. Letzteres fällt einerseits durch viele Todesfälle im Jänner/Februar (Grippewelle?) auf, andererseits gab es wohl auch im Sommer viele Tote. Der Herbst bis Jahresende war jedoch „unauffällig“.
Wie entstehen Übersterblichkeiten?
Eine Übersterblichkeit ist ja nichts anderes als eine Abweichung vom erwarteten Sterbegeschehen. Dazu kommen wir noch einmal auf die Gesamtkurve des Jahres zurück.
Daraus „extrahieren“ wir jetzt einen Bereich, in dem sich in den letzten 18 Jahren vor der Pandemie die Todeszahlen bewegt haben (pro 100.000 Menschen im jeweiligen Jahr gerechnet) – das sieht dan so aus:
In diesem Bereich spielt sich die bisherige Sterblichkeit ab. Ich füge nun mehrere Durchschnittswerte dazu:
Einmal haben wir den Gesamtschnitt aller Jahre von 2002 bis 2019 – das ist die dunkelblaue gestrichelte Linie. Ich kann jedoch auch die der letzten zehn Jahre vor der Pandemie nehmen, das wäre die gelbe Linie, die den Schnitt der Jahre 2010 bis 2019 zeigt. Oder ich gehe sogar auf einen Fünfjahresschnitt von 2015 bis 2019 – das ist die violette gestrichelte Linie. Wir sehen dabei, dass die Linie mehr Extreme zeigt, wenn der Zeitraum kürzer ist. Für ausgeglichenere Werte sorgt ein längerer Zeitraum.
Wenn ich nun den Schnitt der drei Jahre mit Pendemiemodus dazu gebe, ist dieser Zeitraum noch kürzer und zeigt – auch darum – mehr Extreme:
Trotzdem fällt auf, dass dieser Schnitt in mehreren Bereichen die bisherigen Extremwerte verlässt. Am auffälligsten ist das von KW 37 (September) bis KW 50 (kurz vor Weihnachten). Allerdings ist es auch von KW 12 (Mitte März) bis KW 19 (Mitte Mai) so, dass der DURCHSCHNITT der drei Jahre die Extremwerte übersteigt. Normalerweise sorgen Durchschnittswerte dafür, dass die extremen Werte gedämpft werden!
Und was passiert, wenn wir nun das laufende Jahr 2022 extra dazu eintragen?
Erstens erkennen wir, dass wohl ein Grund für den Anstieg über den Extremwert der Jahre 2002 bis 2019 in den Frühjahrsmonaten durch die Zahlen von 2022 entstanden sind. Von KW 12 bis KW 18 liegen mit einer Ausnahme ALLE Wochen über den Extremwerten und WEIT weg von den Durchschnittswerten. Auch im Sommer 2022 gab es in den Wochen 30 und 31 (Ende Juli und Anfang August) Werte, die den höchsten Werten der 18 Jahre vor der Pandemie entsprechen. Und seit KW 36 (Anfang September) liegen die Werte DURCHGEHEND über dem Bereich, in dem die Zahlen 18 Jahre vor der Pandemie lagen. Erst in den letzten Wochen scheint sich die Lage zu beruhigen, vor allem verglichen mit 2020 und 2021.
Schauen wir uns doch die einzelnen Pandemiejahre im Vergleich an:
Es ist unschwer zu erkennen, dass die Werte des Jahres 2021 (orange) mit Ausnahme von KW 17 und 18 (Ende April & Anfang Mai) und der KW 22 (Ende Mai) immer innerhalb der Schwankungsbreite lagen – bis zur KW 36 (Anfang September). Danach lagen die Zahlen fast durchgehend über den Werten der 18 Jahre davor. Ausnahmen sind die Wochen 40 und 41 (Ende September/Anfang Oktober) und der KW 51 und 52 (Weihnachten bis Neujahr).
Im Jahr 2020 (hellrot) war es ähnlich: KW 14 und 15 (Ende März/Anfang April) lagen über der „Schwankungsbreite“, dann gab es bis zur KW 43 nur die KW 37 (2. Septemberwoche), die über dem grauen Bereich liegt. Ab KW 43 gehen die Zahlen „durch die Decke“ und bleiben bis auf die KW 52 immer über den bisherigen Extremwerten.
Wenn wir jetzt die AGES-Zahlen in Sachen an oder mit C19 Verstorbene pro 100.000 einzeichnen, sieht das etwas seltsam aus. Nicht nur, dass die offensichtlich durchaus vielen Todesfälle anfangs des Jahres nicht in den Kurven zu sehen sind, so ist es auch schwer, abzuschätzen, ob die Zahlen sonst zu den Bereichen über den Extrem- oder Durchschnittswerten passen.
Daher ziehe ich diese offiziellen Covid-Sterbefälle von der Gesamtsterblichkeit ab und stelle es so dar, als ob ALLE C19-Todesfälle „Übersterbliche“ waren, also Menschen, die das Jahr – oder zumindest die Woche, in der sie gestorben sind- überlebt hätten.
Im Jahr 2020 gab es demnach bei der ersten Welle einen Peak, der durchaus über den Schnitt, aber nicht aus den Extremwerten herausfällt. Das Gleiche gab es in KW 12, damals allerdings wurde damit schon der Höchstwert der 18 Jahre davor erreicht. Dann verlief 2020 wie viele andere Jahre, bis zur KW 37, die wiederum auch ohne C19-Todefälle aus dem Rahmen fiel. Auch KW 43 und KW 46 waren leicht über dem bisherigen Höchstwert seit 2002. Und in der KW 52 und KW 53 gab es eine historische Untersterblichkeit.
Im Jahr 2021 gab es demnach mit Ausnahme der KW 3 und 4, die auch unter dem Schnitt, aber innerhalb der Werte der Vorjahre lagen, DURCHGEHEND neue Tiefstwerte und Rekorde in Sachen Untersterblichkeit. Erst ab KW 16 liegen die Werte wieder innerhalb derjenigen der Jahre 2002 bis 2019. Die KW 36 sticht auch nach Abzug aller offiziellen Covid-Todesfälle heraus mit den höchsten Wert aller Jahre seit 2002. Das gilt auch für die Wochen von KW 43 bis KW 48.
Und das laufende Jahr? Nach Abzug der offiziellen Covid-Todesfälle bleibt die KW 14 trotzdem als Rekordwert aller Jahre seit 2002 stehen. Der Sommer liegt nun innerhalb der Extremwerte der Jahre 2002 bis 2019. Ab KW 37 jedoch gibt es bis zur KW 43 durchgehend extrem hohe Werte – von KW 38 bis KW 43 die höchsten, die es jemals gab in den letzten 21 Jahren.
Die Gesamtzahlen
Wenn wir nun die Gesamtzahlen pro 100.000 Menschen anschauen für diese Zeit, dann sieht das so aus im Vergleich zu den Durchschnittswerten:
Auch wenn wir die Skala bei Null beginnen, sehen wir, dass 2022 wohl ein „schlimmes Jahr“ sein wird – zumindest im verfügbaren Zeitraum von 2002 weg. Mindestens 20 Todefälle pro 100.000 EW dürften es wohl mehr werden im Vergleich zum bisherigen MAXIMUM, das aus dem Jahr 2003 stammt.
Auf dieser Grafik, die wieder erst bei 800 beginnt mit der Skalierung, ist der Unterschied besser zu sehen.
FAZIT
Weil es sonst den Rahmen hier sprengen würde, habe ich in diesem beitrag nur auf die Gesamtzahlen geachtet. Dabei konnten wir sehen, dass – selbst unter der Annahme, dass alle Covid-Todesfälle nur durch Covid verursacht wurden und alle sonst NICHT gestorben wären in der entsprechenden Woche oder dem entsprechenden Jahr, immer noch eine Sterblichkeit oberhalb der EXTREMwerte der Jahre 2002 bis 2019 zu sehen ist in manchen Wochen – vor allem im Herbst 2021 und 2022.
Übersterblichkeiten, das sind Wochen mit mehr Todesfällen als es aufgrund des Durchschnitts zu erwarten wäre, gab es auch (wieder ohne Covid-Todesfälle) im Frühjahr 2020 und 2022, vor allem auch im Sommer 2021 und 2022 und im Herbst in allen drei Jahren.
Interessant wird (siehe der nächste Beitrag von mir zu dem Thema), wenn wir uns nun anschauen, wie das in den einzelnen Altersgruppen aussieht. Denn die Covid-Todesfälle gab es ja hauptsächlich in den Altersgruppen über 75 Jahren. Gab es denn außerhalb dieser Gruppen auch Übersterblichkeiten? Und wenn ja – zu welchen Zeiten?