Die Hitzetoten…

Sie sind derzeit (oder besser sie waren es anlässlich der ersten wirklichen Sommertemperaturen) in aller Munde und auch vielerorts zu lesen: die Hitzetoten. Ich wollte der Sache auf den grund gehen – wie immer, ohne zu wissen, was dabei heraus kommt und ohne „Vorerwartungen“ dazu.

Zum Vorgehen

Wie habe ich das gemacht? Nun in Sachen „Sterbezahlen“ habe ich die Daten glücklicherweise schon recht gut aufbereitet. Das erste Problem, das sich dabei ergibt: Wöchentliche Zahlen gibt es leider erst seit dem Jahr 2000. Alles, was davor in Sachen Sterbegeschehen zu bekommen ist in Österreich, sind Jahreswerte. Und auch nicht wirklich in Altersgruppen aufgeteilt.
Ich habe also die Daten der Altersgruppen pro Kalenderwochen seit dem Jahr 2000 erfasst und dabei natürlich berücksichtigt, wie viele Menschen in den jeweiligen Gruppen gelebt haben in den verschiedenen Jahren seit 2000. Da es keinen Sinn macht, das für einzelne Fünf-Jahres-Gruppen zu machen, habe ich mich für die Menschen bis 55 Jahre, die ab 55 Jahren und einmal für alle gemeinsam entschieden.
Weiters ging es um die Temperaturwerte: Die gibt es zwar weiter zurück, aber ohne Strerbezahlen sind die leider nicht verwertbar. Daher habe ich mich – ab dem Jahr 2000 – auf folgendes konzentriert: Die Durchschnittstemperaturen pro Kalenderwoche, die Zahl der Hitzetage und (als Pendant im Winterhalbjahr) der Eistage. Zusammengefasst habe ich das immer in „Winterhalbjahr“ und „Sommerhalbjahr“ und mir dabei angeschaut, wann es die ersten „Hitzetage“ (über 30°C) gab – die waren im April. Die spätesten Hitzetage waren im September. Daher sind die Jahre in zwei Abschnitte unterteilt: Kalenderwoche 15 bis 40 als „Sommerhalbjahr“ und 41 bis 14 im Jahr darauf als „Winterhalbjahr“.
Damit ich einen „Österreich-Schnitt“ erhalte, habe ich vier Stationen herausgegriffen, die alle über Daten verfügen, die weit zurückreichen (nicht, weil es das dafür gebraucht hätte, sondern weil ich deren Daten schon erfasst habe): Feldkirch ganz im Westen, Kremsmünster in Österreichs Mitte, Wien im Nordosten und Lienz im Süden. Aus diesen vier Stationsdaten habe ich jeweils ein Mittel errechnet, das hier verwednet wird.

Daten in Hülle und Fülle

So sieht dann eine Grafik aus, die daraus entstanden ist: die schwarzen Balken zeigen die wöchentlichen Todesfälle pro 100.000 EW in Österreich im Sommerhalbjahr, die orange Linie zeigt und den wöchentlichen Temperaturverlauf der Maximaltemperatur.
Wir erkennen, dass es durchaus manchmal Zusammenhänge gibt, manchmal aber auch nicht.
Um das genauer zu betrachten, habe ich ein Jahr herausgesucht, das durch die meisten Hitzetage seit dem Jahr 2000 auffällt in Österreich: 2015 gab es im Schnitt der vier Mess-Stationen 33 Tage mit mehr als 30 Grad!

Hier sehen wir wieder in Schwarz die Todesfälle pro Kalenderwoche. Orange sind die Durchschnitts-Maximal-Temperaturen zu sehen, gelb der Zweiwochenschnitt daraus. Und Pink sehen wir die „Hitzetage“ pro Kalenderwoche in diesem Sommerhalbjahr. Die Pfeile markieren immer Wochen mit hohen Werten. So gesehen scheinen doch alle recht zu haben, die behaupten, dass hohe Temperaturen ein hohes Sterbegeschehen mit sich bringen, oder? Es gibt auf den ersten Blick durchaus Übereinstimmungen.

Das große Ganze

In der Grafik unten sieht das etwas anders aus: Das Jahr 2015 – leicht zu erkennen am höchsten Wert in Sachen „Hitzetage“ (pinke Linie) ist bei weitem kein jahr mit vielen Todesfällen im Sommerhalbjahr. Im Gegenteil, die Jahre davor und danach zeigen deutlich mehr Todesfälle. Und auch die Sommer 2017 bis 2019 mit ebenfalls vielen Hitzetagen haben niedrigere Werte als die Jahre davor und danach.Und obwohl das Jahr 2003, das mit den zweitmeisten Hitzetagen seit 2000, die meisten Todesfälle bis 2022 aufweist, liegen die deutlich weniger hitzebelasteten Jahre davor und danach ebenfalls sehr hoch bei den Todesfällen im Sommerhalbjahr.

Nie gab es im Sommer mehr Todesfälle als 2022 und 2023. In Sachen Hitzetage gab es allerdings sehr wohl Jahre mit mehr heißen Tagen. Also irgendwie scheint das doch nicht ganz zu stimmen…

Schauen wir uns doch einmal die Gruppe der Menschen ab 55 Jahren an – wie sehen diese Werte dort aus?

Nie gab es mehr Todesfälle pro 100.000 Menschen ab 55 Jahren in Österreich im Sommerhalbjahr als 2003. Damals gab es auch einen sehr wamen Sommer und viele Hitzetage. Danach gehen die Todeszahlen zurück, die Hitzetage wechseln von jahren mit sehr wenigen Tagen wie 2004 auf solche mit vielen wie 2013 und vor allem 2015. Die Kurven mit den Todeszahlen passen da allerdings nicht dazu. Schon gar nicht von 2016 bis 2021, wo sie ihr niedrigstes Niveau seit 2000 erreichten – im gegensatz zu den Hitzetagen, die nur 2020 und 2021 deutlich niedriger lagen als davor und danach.

Und „Kältetote“?

Das ist das Gegenstück zu vorher – die Verstorbenen im Winterhalbjahr – wieder die Gruppe ab 55 Jahren und dieses Mal mit den Eistagen – also Tagen, an denen es nicht mehr als 0°C hat auch zum wärmsten Zeitpunkt des Tages.
Auch hier ist zu erkennen, dass der Winter mit den meisten Eistagen (2010) mehr Todesfälle hat als viele Jahre davor und danach. Es waren alelrdings vor 2006 (dem Jahr mit bei WEITEM am wenigsten Todesfällen im Winter) und nach 2022 mehr als 2010. Und gerade 2017 und 2021, als es mehr Eistage gab als die Jahre davor und danach, sind bei den Todesfällen unauffällig.

Winter oder Sommer?

Wann sterben mehr Menschen in Österreich? In der dunklen Jahreshälfte oder der hellen?

Bis auf EIN Jahr waren es – wie zu erwarten, immer mehr im Winterhalbjahr von Oktober bis Anfang April. 2006 – das vorher schon wegen deutlich weniger Todesfälle im Winter auffiel, hat offensichtlich fast genau gleich viele Todesfälle in beiden Jahreshälften zu verzeichnen gehabt (also dem Winter 2005/2006 und dem Sommer 2006).
Es ist Fakt, dass vor ältere Menschen den Großteil der Verstorbenen stellen in Österreich – sieht es daher bei den ab 55-Jährigen anders aus?

Nein, die Kurve ist faktisch dieselbe – das liegt daran, dass die Zahlen bei den jüngeren Personen so viel weniger sind, dass sie kaum ins Gewicht fallen. Wie sieht’s denn bei den „Jungen“ aus?

Hier gibt es durchaus Unterschiede! In fünf Jahren gab es seit 2000 im Sommer- mehr Todesfälle als im Winterhalbjahr: 2001, 2002, 2004, 2011 und 2022. KEINES der Jahre fällt durch viele Hitzetage auf – außer vielleicht 2022. Daher schließe ich eher aus, dass die Hitzetage zu vermehrten Todesfällen bei den Menschen bis 55 Jahren geführt haben – es muss andere Gründe geben, dass es damals mehr Totdefälle gab als im Winterhalbjahr. Der Unterschied bei dieser Altersgruppe ist generell nicht sehr groß – soll heißen, dass zwischen den dunklen und den hellen Monaten wenig Differenzen bestehen bei den Todesfällen.

Und um den Kreis zu schließen: Hier noch die Zahlen dieser Altersgruppe in Sachen Todesfälle – verglichen mit den Hitzetagen pro Halbjahr. Wirkliche Zusammenhänge? Ich sehe keine…

Fazit

Der Großteil des Sterbegeschehens wird durch die Zahlen der älteren Menschen bestimmt in Österreich (und auch sonst auf der Welt – auch wenn „älter“ nicht überall gleich ist). Aber egal wie ich es drehe und wende – wirklich schlüssig auf das Ergebnis zu kommen, das laut Medienberichten durch die AGES herausgefunden wurde, ist mir nicht gelungen.
500 „Hitzetote“ pro Jahr kann ich nicht erkennen. Natürlich erhöhen starke Temperaturbelastungen (ich denke vor allem auch starke Temperaturschwankungen) die Belastungen – und damit auch die Zahl der Todesfälle, wie es im Winter durch „Grippewetter“ ebenfalls passiert. Daraus aber abzuleiten, dass es keinen Hausverstand mehr gibt und allen erklärt werden muss, was Menschen, die in südlichen Ländern leben genauso wissen wie bei uns alle, die noch selbständig denken – dass es sinnvoll ist, sich bei Hitze zu schützen, viel Wasser zu trinken und im Schatten oder Kühlen zu bleiben, erscheint mir „sehr viel des Guten“.
Ich werde bei „Berechnungen“ wie diesen eher daran erinnert, was mir für interessante „Herangehensweisen“ aufgefallen sind, als die AGES damals während der Covid-Lockdowns „beweisen“ wollte, dass es in Sachen Inzidenzen Unterschiede zugunsten der (meiste viel weniger oft getesteten) Geimpften gegenüber den Ungeimpften gab. Damals wurden, um die „gewünschten Ergebnisse“ zu erreichen, sogar ganze Gruppen aus den Daten entfernt, als sich die Sachlage so gar nicht mehr so entwickelte, wie es offensichtlich gerne gesehen worden wäre…
So gesehen wäre es interessant, diese „Berechnungen“ nachvollziehen zu können – wenn jemand auf die Daten stößt und die Zahlen dahinter, freue ich mich über Hinweise!