2023 soll ja so warm gewesen sein, wie es noch nie vorher war. Wird zumindest mancherorts schon geschrieben und behauptet. Da ich kein studierter Metereologe bin, sondern nur ein Zahlenfreak und da ich keine langfristig mir plausibel und verlässlich erscheinende Messreihen zu GLOBAL-Temperaturen kenne, hab ich wieder das gemacht, was ich öfter schon getan habe: Ich habe zwei der Mess-Stationen aus Österreich, von denen es sehr lange zurückreichende Daten gibt, verwendet und alles dargestellt.
Es handelt sich dabei um die Daten aus Kremsmünster (seit 1874) und Wien (seit 1775).
Wien
Niederschläge
Beginnen wir mit etwas, das noch nichts mit den Zahlen zu tun hat: Die Niederschläge. Da hieß es ja zB letztes Jahr im Frühjahr noch, dass die Klimeveränderungen daran schuld seien, dass es immer trockener wird und auch bei uns das Wasser immer öfter fehlt.
In Wien sind da zwei Jahre in den Aufzeichnungen seit 1855 (ich frage mich, warum die nicht korrigiert werden, weil sie so offensichtlich aus dem Rahmen fallen, dass ich nicht glaube, dass die Daten stimmen), die „falsch“ sind. Daher habe ich sie farblich markiert und auch „abgeschnitten“, weil sie sonst die Gesamtdarstellung sehr „harmonisieren“.
Das wohl wirklich feuchteste Jahr in Wien seit 1855 war wohl 1941 mit 986 mm Niederschlag pro Quadratmeter, was – bei Regen – Litern entspricht. Auch 2009 war mit 897 Litern sehr feucht. 2023 war mit 805 deutlich über dem 20-Jahres-Mittel und nach zwei trockenen Jahren wieder ein feuchteres. Seit 2010 gab es nicht mehr so viel Niederschlag in der Bundeshauptstadt.
Und wie wir am 20-Jahres-Schnitt (gepunktete Linie) erkennen können: Es bleibt seit etwa 175 Jahren immer ähnlich feucht in Wien, nur in den 70er und 80er-Jahren war es etwas trockener.
Nun gibt es ja viele, die sagen, dass das Problem ein anderes sei: Generell regnet es weniger, aber WENN es regnet, dann oft zu viel auf einmal.
Schauen wir daher einmal auf die Tages-Maximal-Mengen der einzelnen Jahre. 2023 war die maximale Menge an einem tag 54,6 Liter. Das ist knapp über dem Mittel der letzten 20 Jahre, aber weit entfernt von Jahren wie 2021 oder 1991. Auch hier ändert sich das Mittel seit 175 Jahren nur sehr wenig.
Auch bei den Tagen ohne Niederschlag gibt es in den letzten Jahren wenig Veränderung. Selbst 2022, eines der trockensten Jahre in Wien, hat ungefähr 200 Tage ohne Niederschlag, wie auch 2023.
Wiens Temperaturen
Wenden wir uns jetzt den Temperaturen zu. Ich verwende hier ganz bewusst NICHT die Tagesmittel (die werden immer aus Maximum und Minimum errechnet) oder die Maxima und Minima selbst, weil diese nicht von Anfang an aufgezeichnet wurden. Was es seit Beginn der Messdaten gibt, sind die Temperaturen um 7 Uhr in der Früh (ja, die Sommerzeit wurde hier immer berücksichtigt und die Daten immer zur selben Stunde aufgezeichnet) und um 14 Uhr.
7 Uhr morgens
Nein, das sind Tagesmaxima oder -minima, sondern die extremsten Werte in Wien seit 1775 bei den Temperaturen um 7 Uhr morgens pro Jahr. Nir war es in einem jahr um 7 Uhr weniger warm als 1898, wo es selbst am wämsten Morgen nicht mehr als 19,8 Grad hatte. Der heißeste Morgen seit Messbeginn stammt aus dem jahr 1782, damals hatte es mehr als 30 °C in der Früh!
Umgekehrt war es nie kälter als 1929 mit -25,2 °C und in keinem Jahr war es weniger kalt als 1974 – damals hatte es selbst am kältesten Morgen des Jahres nur -1,9 Grad!
2023 zeigt sich mit -8,3°C am kältesten und +26,2°C am wärmsten Morgen bei beiden Werten nicht auffällig.
Frühmorgens war 2023 NICHT das wärmste Jahr seit Messbeginn in Wien. Sowohl 1783 als auch 1797 waren ein klein wenig wärmer im Jahresmittel aller 7-Uhr-Messwerte. Ob diese Daten nun von der exakt selben Station stammen und wie sich die Umgebung verändert hat, vermag ich nicht zu sagen – ich kann nur Daten der offiziell als „eine Messreihe“ angegebenen Werte in Relation setzen.
Auch wenn wir das Jahr „halbieren“ und nur die erste oder zweite Jahreshälfte betrachten, schafft es 2023 nicht ganz nach oben: 1796, 1797 und 1807 waren von Juli bis Dezember mindestens gleich warm, und in der ersten Jahreshälfte gibt es noch mehr Jahre, die zum Teil sogar deutlich wärmer waren.
Auch wenn wir die einzelnen Jahreszeiten (kalendarische Jahreszeiten, als Winter zB von 21. Dezember des Vorjahres bis zum 20. März etc.) betrachten, ist 2023 morgens nie die Nummer eins.
14 Uhr
Auch um 14 Uhr gibt es ndere Jahre mit deutlich wärmeren Maxima. Etwa das Jahr 1822, als es in Wien 38,1 Grad hatte um 14 Uhr am wärmsten Tag des Jahres um diese Uhrzeit. Am kühlsten war es 1913, als es niemals wärmer als 26,5 Grad war am frühen Nachmittag. Relativ mild war 2023 bei den Minimaltemperaturen, aber auch hier waren die -1,5 °C nicht der höchste Wert aller Jahre seit 1775. Im Jahr 1806 war es um 14 Uhr niemals kälter als -1,3 Grad und auch 1974 war es mit -1,4 Grad um ein klein wenig „milder“.
Bei den Jahres-Mittel-Werten endlich schafft es 2023 ganz nach oben: Niemals war es im Schnitt aller 14-Uhr Temperaturen übers Jahr gesehen wärmer als 2023 mit 16,19 °C. 1834 kam zwar mit 15,95 recht knapp heran, lag aber so wie andere Jahre des letzten Jahrzehnt’s etwas tiefer.
Der Grund lag eindeutig in der zweiten Jahreshälfte, denn in der ersten war es im Schnitt noch etwa zwei Grad kühler als im Jahr 2007. Die Zeit von Juli bis Dezember jedoch war eindeutig die wärmste seit 1775.
Genau genommen war es vor allem der sehr warme Herbst, denn sowohl im Winter, dem Frühling und auch dem Sommer gab es andere Jahre mit wärmeren Durchschnittswerten als 2023. Der Herbst jedoch war fast um ein grad wärmer als der bisher wärmste Herbst im Jahr 2018.
Kremsmünster
Südlich von Linz und Wels liegt Kremsmünster. Dort werden seit 1874 lückenlos Daten zu Temperaturen und mehr aufgezeichnet. Ich gehe dort davon aus, dass sich rund um die Mess-Station wenig verändert hat und halt diese Werte daher für besonders aussagekräftig.
7 Uhr morgens
Wie schon in Wien ist 2023 kein Jahr für Extremwerte gewesen in Kremsmünster. Sowohl der Maximal- als auch der Minimalwert des Jahres 2023 liegen innerhalb der Trendlinien. Am kältesten war es in dem Ort in OÖ im Jahr 1985, als es um 7 Uhr morgens nur -25,4 Grad hatte und am wärmsten 2007 mit 28,6 Grad an einem Morgen im Jahr.
Auch in kremsmünster war 2023 morgens zwar ein warmes Jahr über alle 12 Monate hinweg gesehen, aber nicht das wärmste. Um 0,04°C war es 2007 wärmer. Besonders kalt war es 1879, damals war es übers Jahr gesehen ca. 4,5 Grad kälter!
Wieder zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Wien: War 2023 in der zweiten jahreshälfte besonders warm – in Kremsmünster sogar das wärmste Jahr seit Messbeginn, so war die erste Jahreshälfte deutlich kühler. 2007 – das wärmste erste Halbjahr seit 1874 – war sogar mehr als 2 Grad wärmer im Schnitt aller Tage.
Bei den einzelnen Jahreszeiten reicht es in keiner für den Temperaturrekord am Morgen in Kremsmünster. Zwischen 0,7°C (Winter und Herbst) und 2,7°C (Frühling) war es kühler als in den wärmsten Jahren der letzten 175 Jahre.
14 Uhr
Auch bei den Maximalwerten um 14 Uhr sieht es nicht anders aus als bei denen am Morgen – der Unterschied liegt hauptsächlich darin, dass es 2023 um 14 Uhr zumindest einmal durchaus sehr warm war. Die 34,2 Grad aus 2023 waren jedoch weniger als zB die 35,5 Grad von 2015 oder die 35,6 Grad aus dem Jahr 1892, das imme rnoch den Rekord hält seit 1874. Auch bei den Minimalwerten gab es viele Jahre mit höheren Werten um 7 Uhr morgens.
Was die 14-Uhr-Temperaturen betrifft, war 2023 auch NICHT das wärmste Jahr in Kremsmünster. Mit 14,84 Grad war es zwar nur um 0,06°C kälter als 2018, aber damit war es eben NICHT das wärmste Jahr aller Aufzeichnungsjahre.
Es reicht zwar (wieder) für den Temperaturrekord in der zweiten Jahreshälfte – mit 0,12 Grad mehr als 2015, aber im ersten Halbjahr war 2023 im Mittel fast 2 Grad kühler als 2007.
Und auch bei den Jahreszeiten gibt es um 14 Uhr EINEN Rekordwert von vier möglichen: Wieder ist es der Herbst, wo das Jahr fast um 1 Grad wärmer war als der bisherige Rekordhalter 2018. Im Sommer fehlt ein halbes Grad, im Winter etwa 0,75°C und im Frühling mehr als 4 Grad auf das wärmste Jahr bisher.
FAZIT
Bei den zwei von mir herangezogenen sehr langen Messreihen aus Österreich mit jeweils zwei Tagestemperaturmessungen gab es bei 4 möglichen „Höchstwerten“ genau EINMAL den Spitzenwert seit Messbeginn: Um 14 Uhr war es übers ganze Jahr gesehen in Wien noch nie wärmer als im Jahr 2023. Um 7 Uhr in der Früh war es weder in Kremsmünster noch in Wien das angekündigte „Rekordjahr“, wenn es auch ein warmes Jahr war. Grund dafür war vor allem der sehr warme Herbst (2 von 4 Mal Topwert) und das zweite Halbjahr 2023 (3 von 4 Mal ganz oben).
Was 2023 an diesen beiden Station nirgends bieten kann, sind extrem hohe Einzeltage. Zu einem warmen Jahr machten es vor allem die Herbstmonate und auch ein recht warmer Sommer. Der Frühling war deutlich kühler – ob der Trend zu kühleren Frühlingstemperaturen auch 2024 forgesetzt wird, werden wir im Juli 2024 wissen…