Das Leben ist tödlich – Teil 2

Die Haupt-Todesursachen

Ohne viel Aufsehen erschienen vor einigen Wochen die endgültigen Zahlen zu den Todesursachen 2022 bei der Statistik Austria. Ich habe das zum Anlass genommen, noch einmal auf manches genauer hin zu schauen:

Bei den Todesursachen sind die Zahlen überall – damit sie vergleichbar sind – pro 100.000 Menschen gerechnet. Ich habe ♂ und ♀ getrennt dargestellt.

WICHTIGE VORBEMERKUNG bei allen Zahlen in diesem Beitrag – auch die anderen Todesursachen: Wir sprechen hier über die TODESFÄLLE – nicht über Erkrankungen generell! Die Zahlen dazu (Krankenhausentlassungszahlen) folgen immer erst viel später im Herbst für das Vorjahr.

Zuerst sehen wir, wie sich bei ♂ und ♀ die Zahlen seit 1982 entwickelt haben. Wir erkennen auf einen Blick, dass es von 1983 bis 2008 mit wenigen Ausnahmen fast durchgehend weniger Todesfälle von Jahr zu Jahr gab. Auffelland sind unter anderem das Jahr 2003 und das Jahr 2015.
Weiters ist gut zu sehen, dass die Zahlen von 2019 auf 2020 stark gestiegen sind, allerdings seit damals auf diesem hohen Niveau geblieben sind. Das Niveau entspricht damit wieder den Zahlen rund um 1995 (♀) bzw. 1990 (♂).
Ebenfalls interessant ist, dass seit 1985 immer mehr Frauen pro 100.000 verstorben sind bis 2019. Seit 2020 hat sich dieses Bild gedreht.
Schauen wir einma, auf die Jahrgänge: In Österreich ist das durchschnittliche Sterbealter derzeit bei etwa 80 Jahren (♂ 78, ♀ 83). Das heißt, dass – aus der Sicht von 80-Jährigen gesehen – von den Jahrgängen 1906 bis 1929 immer mehr Frauen pro 100.000 starben als Männer, seit dem Jahrgang 1930 hat sich das gedreht…

Herz- Kreislauferkrankungen

2022 verstarben in Österreich jeweils ca. 1.000 bis 1050 Frauen oder Männer pro 100.000 im Laufe eines Jahres. Das sind etwa 1% der Bevölkerung. Bei einem guten Drittel aller Todesfälle ist als Todesursache eine Erkrankung des Herz- Kreislaufsystems angegeben.

Oben sehen wir die ♀-Todesfälle, unten die ♂. Was das Besondere an den Herz-Kreislauferkrankungen ist: Es gibt hier mehr Todesfälle bei den ♀ als bei den ♂. Vor allem bei letzteren gab es von 1983 bis 2004 einen starken Rückgang der Fälle. Seit damals bleiben die Zahlen in etwa gleich, 2015 bildet ein wenig einen Ausreißer nach oben. Bei den ♀ ist es ganz ähnlich, allerdings sinken hier die Zahlen seit 2015 wieder stark ab. Vor allem die Herzinfarkte (Myoardinfarkt) haben stark abgenommen.
Was sich verändert hat ist der Anteil der Herz- Kreislauf-Erkrankungen an allen Todesfällen: 1982 stellten sie noch deutlich mehr als 50% aller Todesursachen bei den Frauen, heute sind es nur mehr gut ein Drittel – bei den Männern ist der Anteil etwas niedriger und sank von der Hälfte auf knapp unter einem Drittel.

Krebs / bösartige Neubildungen

Die zweithäufigste Todesursache in Österreich ist Krebs. Hier ist derUnterschied zwischen ♂ und ♀ insofern größer, als andere Krebsarten involviert sind.

Schauen wir wie vorhin zuerst auf die Gesamtzahl an Fällen (immer pro 100.000 Personen). Als erstes fällt auf: Es gab eigentlich weder bei den ♂ noch den ♀ einen Rückgang der Todeszahlen. Was sich verändert hat, sind die Arten der bösartigen Neubildungen, die als Todesursache angeführt werden.
Ebenfalls auffallend: Der Unterschied in Sachen Gesamtzahlen bei ♀ und ♂ ist relativ gering. Waren es bei den Frauen immer knapp unter 250 pro 100.000, so sind es bei den Männern knapp mehr als 250 die meiste Zeit. Das entspricht derzeit rund einem Viertel aller Todesfälle in Österreich. Vor 40 Jahren waren die 250 Todesfälle „nur“ in etwa 20% – der Anteil hat sich hier also im Gegensatz zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach oben verschoben.

Schauen wir uns die einzelnen Krebsarten noch etwas genauer an bei ♀ und ♂:

Bei den Frauen sieht das wie oben aus. Zur Erklärung: Die beiden Spalten rechts zeigen die Entwicklung von 2022 im Vergleich zum 5-Jahres (linke Spalte) bzw. 10-Jahres-Schnitt (rechte Spalte). Die Krebsarten mit rückläufigen Zahlen sind grün beschriftet, die mit steigenden rot. Und links sind die einzelnen Jahre angeführt, je dunkler die Linie, desto weniger lange ist das Jahr her.

Wie sehen also bei den Frauen folgendes:

  • Die häufigste Todesursache bei Krebs ist NICHT mehr (wie es lange war) Brustkrebs, sondern inzwischen Krebs der Atmungsorgane.
  • An zweiter Stelle folgt dann Brustkrebs vor Bauchspeicheldrüsenkrebs und Krebs der Eierstöcke.
  • Am meisten rückläufig sind die Zahlen bei Magenkrebs und Gebärmutterhalskrebs – bei beiden gehen die Zahlen seit 1982 kontinuierlich zurück.
  • Am stärksten ansteigend präsentieren sich die Zahlen bei Kehlkopfkrebs, auch wenn es sich dabei um wenige Fälle handelt. Auch Krebs im Mundraum, in der Speiseröhre, bei der Niere und Leukämie weist mehr als 10% Zunahme auf.

Bei den Männern ergibt sich folgendes Bild:

  • Klare Nummer eins ist und bleibt – trotz seit Jahren rückläufiger Tendenz der Krebs der Atmungsorgane.
  • An zweiter Stelle findet sich Porstatakrebs, der zuerst einige Jahre rückläufig war und zuletzt wieder anstieg. Danach folgen bösartige Neubildungen an Dickdarm, Rektum und Anus bzw. Bauchspeicherldrüse – erstere mit sinkender, letztere mit steigender Tendenz.
  • Bei neun Krebsarten kam es verglichen mit dem 5-Jahres-Schnitt davor zu rückläufigen Zahlen. Am größten ist der Rückgang bei Schilddrüsenkrebs und Krebs bei Galle oder Brustdrüse.
  • Den größten Anstieg bei den ♂ gibt es bei Krebsarten des lymphatsischen und blutbildenden Gewebes und und bei bösartigen Neubildungen im Hirn und Krebs des zentralen Nervensystems.

Infektiöse und parasitäre Krankheiten

Die einzige weitere Gruppe von Todesursachen, in der es seit 1982 Zahlen über 100 Todesfälle pro 100.000 EW und Jahr gibt (das sind 0,1% der EW), sind die infektiösen und parasitären Krankheiten. Und hier ist das nur darum der Fall, weil die offiziell an oder mit Covid Verstorbenen hinein fallen. Im Gegensatz zur Grippe etwa, die bei Erkrankungen der Atemwege mit gezählt werden, ist das bei Covid anders.

Bei den ♀ liegen die Werte gar nicht über 100 – da wir jedoch die Skalen immer gleich machen für beide Geschlechter, sind sie wegen der Männer (knapp über 100 im Jahr 2021) höher.

Interessant finde ich, dass die Zahlen trotz der Vakzine, der zunehmenden Anzahl an Genesungen und des abnehmenden Infektionsgeschehens im Jahr 2022 noch keine wirkliche „Entspannung“ zeigen.
Gespannt sein dürfen wir hier auf die Zahlen von 2023, denn hier lassen sich eventuell weiter erhöhte Sterbezahlen (im Vergleich zu den Jahren vor 2019) nicht mehr durch Covid erklären. Wir dürfen also gespannt sein, was in ungefähr einem Jahr der „Grund“ für weiter hohe Sterblichkeiten ist oder ob es 2023 zu einer deutlichen Entspannung kommt. Letzteres wäre auch durch die tatsache erklärbar, dass nach drei Jahren mit vielen Sterbefällen jenseits der 80 sehr viele vorerkrankte ältere Menschen nicht mehr leben und dadurch naturgemäß die Zahlen zurück gehen müssten.

Influenza & Atmungsorgane

Bei den Erkrankungen der Atmunsgorgane (ohne Krebs!) und Influenza als Todesursache sind die Zahlen bei den ♂ höher als bei den Frauen. Bei den Männern kam es in den 80er-Jahren zu einem starken Rückgang, erst ab 2002/2003 stiegen die Zahlen wieder an um dann erneut bis 2014 zu sinken. Dann kam es bis 2018 zu einem Anstieg. 2021 fällt bei beiden Geschlechtern durch extrem niedrige Zahlen auf – ich vermute, dass hier einige „Verschiebungen“ hin zu Covid erfolgt sind. Der Rückgang bei den Lungenentzündungen (rot) könnte den gleichen Grund haben.

Auffallend gering sind die Zahlen bei den Influenza-Todesfällen. In meiner Wahrnehmung der Meldungen darüber in den letzten Jahren und Jahrzehnten hätte ich mir hier deutlich mehr Fälle erwartet – offensichtlich werden diese anders gezählt als die Fälle bei Covid und nur jene Menschen als Todesfälle zugeordnet, bei denen die Grippe wirklich der ausschlaggebende Grund für den Todesfall war.

Verdauungsorgane

Interessante Unterschiede zwischen Männern (unten) und Frauen (oben) zeigen sich bei den Todesursachen (ohne Krebs) im Zusammenhang mit Erkrankungen der Verdauungsorgane. Während „Magen-, Duodenal- und Gastrojejunalgeschwür“ (blau) stark rückläufig waren bis 2011 (♂) bzw fast heute (♀), nehmen die „sonstigen Krankheiten“ (grün) eher zu. Ebenfalls rückläufig sind die Lebererkrankungen, bei denen genrell die ♂ deutlich mehr betroffen sind als die ♀ – ich tippe hier auf einen Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum. Bei beiden Geschlechtern nehmen diese Erkrankungen als Todesursachen zuletzt eher wieder leicht zu.
Bei beiden Geschlechtern haben sich diese Todesfälle fast halbiert seit 1982.

Neubildungen (ausg. bösartige) & Stoffwechselerkrankungen

Ein völlig anderes Bild zeigt sich bei dieser Gruppe: Hier haben die Zahlen rund um das Jahr 2002/2003 derart stark zugenommen, dass ich nur davon asgehen kann, dass hier Definitionen geändert wurden. Denn sonst wäre der Anstieg von Diabetes (grün) und von den „sonstigen endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten“ als Todesursache äußerst beunruhigend. Auch die nicht bösartigen Neubildungen und „Krankheiten des Blutes, der blutbildenden Organe sowie best. Störungen mit Beteiligung des Immunsystems“ haben zugelegt. Darum ist diese Gruppe derzeit bereits eine mit mehr Todesfällen als die der Atemwegserkrankungen oder der Verdauungsorgane.

Nervensystem Sinnesorgane & Drogen

Noch mehr Todesfälle, in Summe schon fast 100 pro 100.000 Personen, gibt es in dieser Gruppe. Vor allem bei den ♀ liegen die Zahlen schon über 90. Besonders auffallend ist hier (blau ganz unten) die Demenz als Todesursache, vor allem bei den Frauen – hier haben die Zahlen auch während der Pandemie stark zugenommen – eine Folge der Maßnahmen und der Vereinsamung? Aber auch Parkinson (petrolgrün und Altzheimer (orange) nehmen zu. Auffallender Unterschied zwischen den Geschlechtern: nur sehr wenige Frauen aber recht viele Männer sterben im Zusammenhang mit „Störungen durch Alkohol“ (rot).

Muskeln, Skelett, Bindegwebe, Nieren, Urogenitalsystem

Den Hauptanteil der Todesfälle in dieser Kategorie stellen die Nierenerkrankungen (violett). Auffallend ist, dass hier bis etwa zur Jahrtausendwende die Zahlen sanken und seither steigen – vor allem bei den Frauen. Das zweite,w as ins Auge sticht, sind die seit 2020 stark sinkenden Zahlen – auch hier eine Folge von Diagnosen am Totenschein, auf denen auch Covid vermerkt war? Das Jahr 2023 könnte hier Aufschluss darüber bringen!

Rund um die Geburt

Hier gibt es einen durch die Natur der Sache bedingten Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während bei den ♂ (unten) hier nur die Todesfälle rund um eine Geburt, also des Babys/Kleinkindes gezählt werden, gibt es bei den ♀ auch (hellrot) einige – zum Glück wenige – Todesfälle, die bei Komplikationen während der Geburt oder Schwangerschaft passiert sind. Bei beiden Geschlechtern sind es im Jahr rund 4 Todesfälle pro 100.000 – als entspricht 0,004% aller Menschen in den letzten Jahren. Anfangs waren es bei den ♂ fast vier Mal so viele und bei den ♀ etwa 3 Mal so viele. Wärhend die angeborenen Fehlbildungen (rot) fast gleich blieben, haben die „perinatalen Affektionen“ (Totgeburten und Sterbefälle in den ersten 7 Tagen) stark abgenommen. So gut wie kein Thema mehr spielt – zum Glück – der plötzliche Kindstod (grün).

Ungenau Bezeichnetes, Unbekanntes und Unfälle

Seltsam sehen die Kurven bei den „ungenau bezeichneten Todesfällen“ (hellblau, erst seit 2008 relevant als Größe) und den unbekannten Todesursachen und Unfällen aus. Hier sind die ♂ (oben) deutlich öfter betroffen als die Frauen (unten). Bei den Frauen sind die „sonstigen und schlecht bezeichneten Affektionen“ seit 1982 ein Thema, bei den Männern deutlich weniger.

Dafür gibt es bei den Männern – vor allem bis 2008 – deutlich mehr „Transportmittelunfälle“. Bei den sonstigen Unfällen (dunkelblau) ist die Tendenz steigend, Bei den Unfällen durch Sturz erst in den letzten Jahren wieder.
Und offensichtlich gab es bei den Männern zwischen 1990 und 2000 (orange) eine Zunahme der „Unfälle durch Vergiftungen“. Ich hoffe doch, dass hier keine Ehefrauen um Spiel waren… 😉

Selbstmord, Mord, unbestimmtes, Veletzungen & Vergiftungen

Zuletzt ein Kapitel, das oft gerne ausgeblendet wird bei der Berichterstattung: Selbstmord, Mord, Unbestimmtes, Veletzungen & Vergiftungen. Denn den größten Teil dieser Gruppe stellen die Selbstmorde und Selbstbeschädigungen dar. Und alarmierend sollte hier sein, dass diese zuletzt wieder deutlich zulegten, nachdem sie zuvor von 14 bei den ♂ und 40 bei den ♀ auf jeweils fast die Hälfte gesunken sind. Interessant ist auch, dass es offensichtlich mehr als doppelt so viele Selbstmorde bei Frauen gibt als bei Männern.
Was ebenfalls auffällt, ist die Tatsache, dass mehr Frauen als Männer ermordet werden (rot) – auch wenn diese Zahlen nur einen Bruchteil der Selbstmorde darstellen. Die „sonstigen Verletzungen und Vergiftungen“ (violett) nehmen offensichtlich ebenso zu wie die Ereignisse, deren nähere Umstände unbekannt sind“ (grün).

Fazit Todesursachen

Deutlich mehr als die Hälfte aller Todesfälle in Österreich bei beiden Geschlechtern fallen in zwei Kategorien: Herz- Kreislauferkrankungen und Krebs. Während die Zahlen bei ersterem rückläufig sind, bleiben sie bei den Krebserkrankungen seit 40 Jahren fast immer gleich hoch in Summe.

Was auffällt sind die Zunahmen bei Diabetes, Demenz, Altzheimer und Parkinson, aber auch bei Nierenerkrankungen oder zum Teil bei Unfällen.

Und beunruhigend finde ich die Zunahme zuletzt bei den Selbstmorden, die im Gegensatz zu den (berechtigterweise) Medial deutlich mehr im Mittelpunkt stehenden zum Glück im Vergleich dazu weniger Morden kaum irgendwo öffentlich diskutiert werden.

Interessant wird es in einem Jahr, wenn die Zahlen von 2023 vorliegen. Denn entweder sinken die Zahlen um etwa 6-10%, oder es wird sich offenbaren, wo die zuletzt hohe Zunahmen bei den Todeszahlen dann zugeordnet wird.

Im dritten Teil dieser Serie geht es dann um einzelne auffällige Jahre und anderes…

Nachsatz

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