Bevölkerungszahlen Teil 1: Wie alt werden wir?

In den letzten Tagen gab es viele Meldungen zum Sterbegeschehen in Österreich. Wieder einmal will ich es genauer wissen – sind jetzt viele Menschen gestorben oder doch wenige? Und wie sieht es um die Alterstruktur unserer Bevölkerung aus?

Ich mag Grafiken wie die hier. Sie zeigt eigentlich nur, wie viele Menschen welchen Alters in Österreich leben seit 1960. Zur Erklärung: Schaut euch einmal die gelbe Linie an – das sind die Menschen, die in dem unten an der Achse beschrifteten Jahr 75 Jahre alt waren. Es ist sehr gut zu erkennen, dass es da einerseits ein „Tal“ gibt zwischen 1992 und 1995. Wir sehen hier, dass es deutlich weniger Menschen gibt, die aus den Jahrgängen 1917 bis 1921 75 Jahre alt wurden, als davor und danach. Das kann zum Besipiel daran liegen, dass im ersten Weltkrieg weniger Kinder zur Welt kamen – oder dass damals viele Kinder starben. Umgekehrt gibt es bei den 75-Jährigen einen „Höchstand“ im Jahr 2016 – vom Jahrgang 1941 gab es demnach viele Menschen, die 75 wurden. Ich vermute, dass es 1941 viele Neugeborene gab. Dieser starke Jahrgang zieht sich (pinke Punkte) zurück über die Jahre, die in diesen Daten erfasst wurden: 1966 stellten die damals 25 Jahre alten Menschen den stärksten Jahrgang aller Menschen dar. Auch das wird wieder dazu geführt haben, dass damals besonders viele Kinder geboren wurden.

Das ist auch gut zu erkennen bei dieser Heatmap: rot bedeutet (geburten)starke Jahrgänge, grün Jahre mit weniger Geburten/Menschen. Es ist gut zu erkennen, dass es von 1960 bis 1970 (linke obere Ecke) viele Geburten gab und diese starken Jahrgänge ziehen sich dann durch bis in die heutige Zeit, wo diese Menschen zwischen 55 und 65 Jahre alt sind. Aufallend ist auch der „grüne Strich“ der Menschen, die 1960 ungefähr 40 bis 45 Jahre alt waren. Offensichtlich sind von den Jahrgängen 1915 bis 1920 viele verstorben und/oder es waren Jahrgänge mit wenig Geburten.
Was hier auch gut zu sehen ist: Von 1982 bis 2001 sind keine Daten zu den Einzeljahren von 95 bis 100 Jahre erfasst – davor und danach gibt es diese Angaben, in diesen Jahren gibt es nur die Gruppe „95 und älter“.

Wenn wir uns die Bevölkerung in vier Gruppen zu je 25 Jahren aufteilen (all die wenigen Menschen, die älter als 100 Jahre werden, sind dabei der gruppe 75 und älter zugeteilt), dann sieht das wie oben aus. Es ist klar zu erkennen, dass der Anteil der Menschen unter 25 Jahren abnimmt seit den 70er-Jahren. In den letzten 63 Jahren hat sich viel verändert – so hat sich etwa der Prozentwert der Menschen über 75 Jahren mehr als verdoppelt. Gesunken ist dabei nur der aller unter 25 Jahre alten Personen.

Diese Grafik zeigt die Entwicklung der einzelnen Altersgruppen im Detail: 1960 war alles „nach Alter“ geordnet: Am größten war die Gruppe unter 25, am zweitmeisten Menschen waren von 25 bis 49 Jahre alt, dann folgten die Personen von 50 bis 74 Jahren.
Der erste „Bruch“ geschah 1987, als die „jungen Erwachsenen“ die Kinder und Jgendlichen zahlenmäßig überholten. 2010 waren dann erstmals die Menschen im Alter von 50 bis 74 Jahren zahlenmäßig mehr als die unter 25 Jahren. und wenn es so weiter geht, dann wird die Gruppe der 50-74 Jahre alten Menschen in den nächsten Jahren die stärkste aller Gruppen werden. Die einzige Gruppe, die kontinuierlich zugelegt hat bis auf eine Ausnahme, sind die Menschen ab 75 Jahren.

Schauen wir uns das daher noch genauer an: In schwarz sehen wir hier den Anteil der Über-75-Jährigen an der Gesamtbevölkerung – der hat sich in den letzten 63 Jahren mehr als verdoppelt. Die Ausnahme fällt bei dieser, anders skalierten Darstellung besonders auf: Neben der kleinen Abweichung von 2020 auf 2021 gab es von 1990 bis 1994 einen starken Rückgang am Anteil dieser Altersgruppe. Die rote Linie, die das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung zeigt, zeigt uns von 1960 bis 1972 sinkende Zahlen. Waren die ÖsterreicherInnen im jahr 1960 im Schnitt 36,5 Jahre, so sank dieser Wert in den nächsten 12 Jahren fast um ein halbes Jahr ab. Das lag vor allem an den vielen Babys, die in dieser Zeit zur Welt kamen. Danach stieg der Wert bis heute um über 7 Jahre an – nur von 1990 bis 1994 und von 2022 auf 2023 stagnierte der Anstieg. Was war in den 90er-Jahren der Grund dafür?

Das 90er-Jahre-Rätsel

Schauen wir uns dazu zuerst eine Auflistung der einzelnen Jahrgänge in den Jahren 1961 bis 1965 an. Normalerweise können diese Werte von Jahr zu Jahr nicht ansteigen, weil ja nicht „im nachhinein“ Kinder geboren werden können aus verschiedenen Jahrgängen. Die Ausnahme bilden hierbei Zuwanderungen oder das Dazuzählen verschiedener Gruppen, die davor nicht gezählt wurden.
In den Sechzigerjahren sehen wir, dass es bei den ganz jungen Jahrgängen minimale Zuwächse gab, die aber alle unter 1% liegen. Je älter die Jahrgänge, desto größer ist die Abnahme im Vergleich zum Vorjahr, weil in diesen Jahrgängen vermehrt Menschen sterben. Die unterste Linie zeigt hier die Menschen des Jahrgangs 1871 – davon verstarben im Jahr 1965 fast 30% aller damals 93 oder 94 Jahre alten Personen. Interessanterweise schert der Jahrgang 1872 dabei aus und ist im Jahr 1962 „besser“ als der von 1873, dafür aber im Jahr 1964 sogar schlechter als die ein Jahr älteren Menschen des Jahrgangs 1871.

Vergleichn wir obenstehende Grafik mit den frühen Neunzigerjahren, dann sehen wir gleich, was da „anders“ ist:

Hier gibt es plötzlich ganz viele Jahrgänge, die bis zu etwa 3% pro Jahr „mehr wurden“. Gleichzeitig müssen die Sterbezahlen der älteren Menschen abgenommen haben, da es nur mehr ein Jahr (1994) gibt, in dem mehr als 25% der Menschen bei den allerältesten Personen verstorben ist.

Hier sehen die die einzelnen Jahrgänge anders dargestellt. Mit ganz wenigen Ausnahmen gilt die Regel: Je älter die Menschen, desto mehr versterben im Laufe eines Jahres. Beim Jahrgang 1900 etwa waren es im Jahr 1990 etwa 20% und vier Jahre später dann bereits über 25%. Von den Menschen des Jahrgangs 1916 (gelbe Grafik) verstarben im Jahr 1994 „nur“ etwa 5,5 im Laufe des Jahres. Und jetzt kommt die Abweichung:

Wenn es um die jüngeren Menschen geht, dann gab es bis zum Jahrgang 1946 ZUWÄCHSE bei den Zahlen im Jahr 1990 – das heißt, dass entweder irgendwo Menschen bis zum Alter von 44, die bisher NICHT gezählt worden waren, dazu kamen, oder dass so viele Menschen bis zu diesem Alter zugewandert sind, dass das mehr waren als die Zahl der Verstorbenen. Den höchsten Zuwachs gab es mit 2,48% im Jahr 1993 bei den Menschen des Jahrgangs 1973 – das waren damals also die 19 und 20 Jahre alten Personen. Am geringsten war der Zuwachs bei den Menschen unter 30 Jahren bei den fünf- bis achtjährigen Kindern.

Vergleich zur „Migrationswelle 2015“

Vor wenigen Jahren hatten wir eine große „Welle“ an Menschen, die in unser Land kamen. Wie sehen diese Grafiken daher für die Jahre rund um 2015 aus?

Auch hier sehen wir wieder starke Zuwächse in den jüngeren Jahrgängen – dieses Mal sind sie noch ausgeprägter mit bis zu 5% Zunahme im Vergleich zum Vorjahr. Weiters fällt auf, dass offensichtlich die Sterbezahlen weiter zurück gingen bei den älstesten EinwohnerInnen: die stäksten Rückgange liegen nun unter 22%!

Einzeln betrachtet gibt es bei den Menschen über 75 Jahren nun ganz gleichmäßig eine Steigerung von Jahr zu Jahr und Jahrgang zu Jahrgang. Während des „Sterberisiko“ bei den Menschen des Jahrgangs 1938 im Jahr 2013 bei knapp über 2% lag, war es bei den 15 Jahre älteren Personen des Jahrgangs 1923 mit 15% etwa sieben mal so hoch. So gleichmäßig sieht die Sache bei den Menschen im Alter von 50 bis 74 Jahren nicht aus und hier fällt eine Zahl aus dem Jahr 2016 auf: Beim Jahrgang 1963, also den Personen, die in diesem Jahr ihren 53. Geburtstag feierten, gab es sogar einen leichten ZUWACHS der Gesamtzahlen!

Diese Grafik zeigt uns die Jahrgänge ab 1964. Bis auf ganz wenige Ausnahmen gab es hier durchwegs Zuwächse, die bei den Menschen im Alter von über 25 Jahren von Jahrgang zu Jahrgang tendentiell weniger wurden.

Die grüne Graif zeigt uns die Menschen unter 25 Jahren. Hier fällt – mit Ausnahme des Jahres 2013 – auf, dass immer die Menschen im Alter von 18 bis 19 Jahren die sind, bei denen es den höchsten Zuwachs gab. Eine Ausnahme bilden auch noch die Neugeborenen, die 2013 und 2014 den größten Zuwachs verzeichneten. Im Jahr 2016 war mindestens jede zwanzigste Person des Jahrgangs 1997, die in Österreich lebte, zugewandert – das war der höchste Wert dieser Jahre.

Trotzdem zeigt sich diese Zuwanderung kaum im Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung – auf jeden Fall nicht so stark wie die Zuwächse aller Jahrgänge in den frühen Neunzigerjahren.

Und die Pandemiezeit?

Jetzt drängt sich noch die Frage auf, wie das während der Pandemiezeit aussah. Ich habe mir vor der Erstellung der nun folgenden Grafiken gedacht, dass es doch nun klar erkennbar sein müsste, dass im Jahr 2020, dem ersten und „tödlichsten“ Jahr der Pandemie sehr wohl etwas zu erkennen sein muss – vor allem bei den Menschen über 75 Jahren. Danach sollte die Sache wieder „besser“ geworden sein – oder?

Bei der ersten Grafik fallen mir mehrere andere Sachen auf: Erstens sind die Abstände zwischen den einzelnen Jahrgängen der Menschen ab 85 Jahren noch klarer und größer – jedoch nicht erst ab 2020. Zweitens ist es ehe so, das 2020 die Kurven nach OBEN (also weniger Todesfälle) abweichen und dann erst 2021 und 2022 nach unten. Und drittens gibt es auch hier wieder viele Jahrgänge mit deutlichen Zuwächsen, vor allem im Jahr 2022.

Auch wenn wir das so ansehen, ergibt sich kein anderes Bild: WENN es in einem Jahr etwas stärker war in Sachen Abweichungen nach unten (also mehr Todesfälle), dann war es das Jahr 2022. Davor ähneln die Kurven sehr denen von 2013 bis 2017. Wenn dann gab es eher bei den Menschen im Alter von 50 bis 74 mehr Todesfälle als 5 Jahre zuvor. Auch hier sind es eher die Jahre 2021 und 2022, die auffallen und nicht 2020.

Bei den Zuwächsen durch Zuwanderung sind die Zahlen bei den Menschen unter 25 etwas geringer und die Jahrgänge mit den höchsten Zuwachsraten ein Jahr älter (eher 19-20 Jahre). Bei den Menschen von 25 bis 49 Jahre sind es DEUTLICH geringere Zuwächse als fünf Jahre früher.

Zum Abschluss gibt es noch einmal eine „Heatmap“ – dieses Mal ist sie anders aufgebaut wie die obere. Während es dort darum ging, in welchem der 63 Jahre es die meisten Menschen in einem bestimmten Alter gab, geht es nun darum, welche Altersgruppe innerhalb eines Kalenderjahres den höchsten Anteil an der Gesamtbevölkerung stellt:

Hier wird ab ungefähr dem Jahr 2000 sichtbar, dass es eine Zuwanderung an Menschen gab, die dazu führte, dass der Anteil an jüngeren Menschen in Österreich deutlich stärker wurde:

FAZIT

Ich erkenne in den mir vorliegenden Daten, so wie ich sie aufbereitet habe, drei Sachen:

  1. Es gab seit dem Jahr 2000 durch Zuwanderung von Menschen – vor allem rund um das Alter von 18 bis 20 Jahren – eine Gegenbewegung in der Bevölkerungsstruktur, die den Anstieg des Durchschnittsalters gebremst hat. Ohne diese wäre der Mittelwert inzwischen weit höher.
  2. Die Zuwanderung von 2015 fällt auch darum nicht so sehr auf, weil es auch davor schon und danach starke Zuwanderung von jungen Menschen nach Österreich gab. Wir sprechen hier von einem bis zu 5% mehr Menschen in einzelnen Jahrgängen.
  3. Die große Zahl an an oder mit Covid Verstorbenen ist NICHT erkennbar für mich. Wir wissen, dass das durschnittliche Sterbealter der über 22.000 C19-Todesfälle in Österreich bei mehr als 82 Jahren lag. Das müsste deutlich erkennbar sein bei den Jahresvergleichen und auch der Alterstruktur bzw. -verteilung der Bevölkerung – dem ist jedoch NICHT so.

Womit wir in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten rechnen müssen, ist ein STARKER Anstieg der Todeszahlen in Österreich. Warum? Weil mehr als 70% aller Todesfälle auf die Altersgruppe 75+ fällt. Und die „Babyboomer“ – gut zu erkennen bei den Heatmaps als „rote Diagonale“ beginnen demnächst in dieses Alter vorzustoßen. Wenn sich hier also nicht plötzlich die Lebenserwartung stark nach oben verändert, dann werden wir bis in 20 Jahren um viele Todesfälle pro Jahr mehr haben als derzeit. In kleinem Rahmen haben wir das die letzten Jahre schon dadurch erlebt, dass die besonders schwachen Jahrgänge rund um 1925 inzwischen aus den Alterstafeln heraus fallen. Nachrückende Jahrgänge weisen durch die höhere Zahl an Menschen auch automatisch mehr Todesfälle auf.