Vorbemerkung
Heute ist überall zu lesen, warum und wo das Risiko wie stark steigt… ich zitiere hier exemplarisch Textstellen des ORF:
„Das Risiko einer CoV-Infektion vergrößert sich weiter. In allen Bundesländern ging zuletzt der Trend deutlich nach oben, ist aus dem – der APA vorliegenden – Arbeitsdokument der Ampel-Kommission ablesbar. Laut dem Papier gibt es auch in keinem Land mehr geringes Risiko. Allerdings ist die Farbgebung mittlerweile mit Vorsicht zu genießen.
https://orf.at/stories/3273785/
Das hängt mit den Kriterien zusammen, die zu Grunde gelegt werden. Seit kurzer Zeit wird nämlich die Positivitätsrate der Tests bzw. deren Anzahl nicht mehr eingerechnet. Davon profitieren jene Länder, in denen kaum getestet wird.
Mehr Tests, mehr Nachweise
So kommt es, dass jene beiden Länder, die am häufigsten testen, auch jene sind, die verhältnismäßig die meisten nachgewiesenen Infektionen haben und somit als einzige in die orange Stufe des hohen Risikos gerutscht sind.
Schauen wir doch das gesamte Jahr einmal genauer an – ich habe die Kern-Kennzahlen zusammengefasst in eine Grafik. Die Daten sind natürlich alle gleich berechnet, damit die Bundesländer miteinander verglichen werden können!
Die Form der Darstellung
Damit ich das tun konnte, musste ich die Zahlen verschieden stark anpassen (sonst wären manche Kurven gar nicht zu sehen gewesen:
Die dunkelblauen Säulen sind die Tests, die durchgeführt wurden. Dabei habe ich – wie bei fast allen Zahlen, den 7-Tages-Schnitt berechnet, um einzelne Ausreißer nach oben oder unten auszugleichen.
Die zweite Säule (orange) sind die positiven Tests in Prozent. Das ist also die Positivenrate. Je höher die orangen Säulen, desto mehr von den durchgeführten Tests waren positiv.
Nun kommen zwei gestrichelte Linien: Rot sind die positiven Tests pro 1.000 EW, grün die Genesungen pro 1.000 EW – wenn nicht ganz viele Menschen sterben, dann sollte die grüne Kurve immer mit leichter Verzögerung der roten entsprechen.
Außerdem gibt es zwei durchgehende Linien, das sind die offiziellen C19-PatientInnen und zwar jeweils pro 10.000 EW (auch wieder, weil die Kurven sonst praktisch nicht sichtbar wären). Wer bei mir mitliest, weiß, dass die Landeskrankenanstalten in Vorarlberg praktisch seit Jahresbeginn mit Beginn der Omikronwelle davon sprechen, dass ca. 80% aller PatientInnen mit positivem Test nicht WEGEN Covid im Spital sind, sondern nur als Nebenbefund einen positiven Test aufweisen!
Und zuletzt gibt es die gepunktete weiße Linie – Sie zeigt die Todesfälle pro 100.000 EW.
ÖSTERREICH
Sehen wir uns das Ganze also einmal für Österreich an:
Die Zahl der Testungen (dunkelblau) war zu Beginn des Jahres nicht aussagekräftig, wie unschwer zu erkennen ist – wieder einmal gab es „Nachmeldungen“ im großen Stil um den Jahreswechsel. Eines ist danach erkennbar: Die Testzahlen sind in die Höhe geschossen – von etwa 3.000 pro 100.000 EW am Tag auf bis zu 9.000 – sie haben sich also verdreifacht innerhalb eines Monats. Bis etwa Frühlingsbeginn blieben sie dann bei ca. 6.000 pro 100.000 EW am Tag – das heißt, dass 6% der Bevölkerung täglich (!) getestet wurde! Bis Mitte April sank dieser Wer auf etwa 3.000 ab – also in etwa auf den Wert des Jahresbeginns. Danach sanken die Testzahlen sehr schnell ab auf etwa 2.000 bis Anfang Juni. Seither liegen sie recht stabil bei 1.000 Tests pro Tag und 100.000 EW – das heißt, dass auch jetzt noch ca. 1 von 100 in Österreich lebenden Menschen jeden Tag getestet wird.
Die Zahl der positiven Tests (orange Säulen) in Prozent lag anfangs bei Werten unter 3% – das heißt es waren nicht mehr als 3 Tests pro 100 Testungen positiv österreichweit. Zum Höhepunkt der Omikronwelle waren es dann etwa 8%. Mit Ende Mai sank dieser Wert stark ab auf etwa 1,5% und liegt jetzt so hoch wie nie zuvor – bei aktuell fast 10% österreichweit.
Ob das „schlecht“ ist, zeigt ein Blick über die Grenze: In der Schweiz lag die Positivenrate bei den Tests nie unter 7,6% bei den Antigentests und 10% bei den PCR-Tests. Derzeit liegt sie bei BEIDEN Testarten bei über 44%! Aber die Schweiz macht offensichtlich das mit den Tests, wofür sie eigentlich gedacht sind: Getestet wird, wer Symptome hat und wo abgeklärt werden muss, ob es sich um Covid handelt.
Die rote Kurve zeigt das an, was bei uns als „Infektionen“ bezeichnet wird. In Wahrheit sind es alle Menschen, die einen positiven Test hatten. Im Gegensatz zu den orangen Säulen (pro Test) ist diese Kurve mit der Einwohnerzahl verknüpft und zeigt in dem Fall die Positiven pro 1.000 EW.
Zum Höhepunkt der Omikronwelle waren das im Siebentagesschnitt immerhin 5,1 Menschen pro 1.000 EW am Tag. Das bedeutet, dass – wenn es immer andere Menschen wären – nach etwa 200 Tagen alle Menschen EINMAL positiv gewesen wären.
Interessant ist nun der Unterschied bei der grünen Kurve, welche die Genesungen pro 1.000 EW zeigt. Diese weist Mitte Februar einen vollkommen seltsamen „Spitz“ auf – die Ursache dieses Rätsels lässt sich später bei den Bundesländern lösen. Dass die grüne Kurve bei sinkenden Zahlen immer über der roten liegt und bei steigenden darunter, ist logisch. Allerdings müsste sie seit den Änderungen der Bestimmungen in Sachen Quarantänedauer inzwischen deutlich NÄHER an der roten Kurve liegen, was sie nicht tut!
Die violette und die gelbe Linie zeigen und den Verlauf der Bettenbelegung mit positiv getesteten PatientInnen – pro 10.000 EW. Bitte berücksichtigen, dass hier maximal ein Fünftel davon (laut Krankenanstalten GesmbH Vorarlberg) wirklich WEGEN Covid im Spital liegt, die anderen wurden bei oder vor der Aufnahme aus einem anderen Grund positiv getestet!
Es ist also NICHT verwunderlich, dass die violette Linie mit leichter Verzögerung zur roten Linie angestiegen ist. Denn wenn ganz viele Menschen österreichweit positiv sind, dann ist es nur logisch, dass auch bei der Aufnahme ins Spital mehr positiv getestete PatientInnen gefunden werden.
Zuletzt noch zur gepunkteten Linie, die ganz am Beginn der Pandemie das Haupt-Thema war: Die an oder mit C19 Verstorbenen. Wer genau hinsieht, sieht auch hier, dass die Kurve der violetten Kurve gleicht. Auch hier gab es zu dem Zeitpunkt, als sehr viele Menschen in Österreich positiv waren, mehr Verstorbene als davor oder danach. Mehr als 0,5 Personen pro 100.000 am Tag – das sind 5 Menschen von 1 Million – waren es auch Ende März nicht.
Derzeit sind sowohl die Intensivbelegungen als auch die Todesfälle praktisch nicht mehr zu sehen und liegen im Bereich von 0,05 pro 100.000 – das entspricht 0,5 pro Million oder 5 pro 10 Millionen.
DER OSTEN
Sehen wir uns nun die Kurven für die drei östlichsten Bundesländer an: Wien, NÖ und Burgenland.
Bei den Testungen fallen diese drei ALLE auf: Erstens, weil die die drei Bundesländer mit den höchsten Werten sind, wenn es ums Testen geht.
Zweitens, weil sogar hier extreme Unterschiede bestehen – Wien testete fast drei Mal so viel wie das Burgenland. Dazu muss gesagt werden, dass Wien immer die massenweisen Schultestungen als „landeseigene Testungen“ eingemeldet hat, was kein anderes Bundesland so gemacht hat.
Drittens, weil das Burgenland als einziges Bundesland „negative“ Testzahlen hat (ich bin unschuldig, das steht so in den AGES-Zahlen!), weil es da offensichtlich ein Meldeproblem gab Ende Mai/Anfang Juni (so viel zu „verlässlichen Daten“!).
Und viertens, weil einer der Verursacher der hohen Werte zu Beginn des Jahres NÖ war – durch eine „Nachmeldung“ kurz vor Jahresende 2021 entstehen dort extrem hohe Werte.
Bei den anderen Kurven fallen folgende Details ins Auge:
- Wien hat Mitte Februar seine Genesungen „bereinigt“. Das ist auch der Grund für den „Spitz“ bei den Österreich-Werten (siehe oben). Bis Mitte Februar – warum das so ist, mag sich jeder selbst fragen und zB auf politische Abstimmungen und anderes achten – hatten die Wiener praktisch keine Genesungen!
- In NÖ – und auch im Burgenland – sticht die Positivenrate (orange Säulen) zuletzt ins Auge. Ich tippe darauf, dass hier demnächst in NÖ wieder eine „Korrektur“ der Testzahlen erfolgen wird, was diese Werte dann plötzlich wieder beseitigt…
- Neben der Steiermark und Kärnten sind diese drei Bundesländer die, die mit den höchsten Werten an „Covid-PatientInnen“ auffallen. (Nicht vergessen: Niemand außer den Vorarlbergern gibt bisher bekannt, wie viele Menschen wirklich WEGEN Covid im Spital liegen. Der BM für Gesundheit hat diese Daten für Mitte oder Ende Juli angekündigt… seien wir gespannt!)
- Die Aussage „weil Wien so viel testet, haben sie so viele Positive“ mag zwar auf den ersten Blick für heute zutreffen, was war dann allerdings in den ersten Monaten des Jahres los? Damals haben die Weiner ebenfalls mehr getestet als alle anderen und hatten TROTZDEM niedrigere Kurven (rote Linie).
DER WESTEN
Hier sind Vorarlberg, Tirol und Salzburg zusammengefasst:
Was fällt auf?
- Auch Vorarlberg hatte zum Jahreswechsel Nachmeldungen bei den Tests – diese fallen bundesweit nicht so sehr ins Gewicht, da es dort weniger Menschen gibt.
- Ansonsten haben alle drei Bundesländer DEUTLICH weniger Testaufkommen als die im Osten liegenden Bundesländer.
- Dass hier offensichtlich auf „wir testen vermehrt Menschen, bei denen ein Verdacht vorliegt“ umgestellt wurde, zeigt auch die deutlich höhere Treffsicherheit der Tests mit höheren orangen Säulen. Trotzdem sind es selbst in Vorarlberg nicht mehr als 30% – also deutlich weniger als in der benachbarten Schweiz.
- Die Kurven der Spitalsbelegungen sind hier durchwegs niedriger als im Osten.
DIE MITTE
Hier sind OÖ, Kärnten und die Steiermark zusammengefasst:
Was fällt auf?
- Diese drei Bundesländer sind eine Mischung zwischen dem Westen und dem Osten. Es gibt deutlich weniger Tests als im Osten, oder auch zu Beginn in Salzburg.
- Kärnten ist der absolute Spitzenreiter wenn es um Test-Effektifität geht. Nirgends wurden weniger Tests gebraucht, um die Positiven zu finden. Interessanterweise wird in den heutigen Presseaussendungen zwar erwähnt, dass Burgendland und Wien als SPÖ-regierte Bundesländer am meisten testen, auf Kärnten wurde hier aber vergessen.
- In Sachen C19-SpitalspatientInnen ist die Steiermark immer ganz vorne im Bundesländer-Vergleich.
- Eine interessante Kurve in Sachen Positivenrate (orange Säulen) hat OÖ – offensichtlich wird hier in seltsamen „Zyklen“ eingemeldet – anders sind die Sprünge nicht zu erklären!
FAZIT
Manchmal komme ich mir vor, wie in einem Pipi-Langstrumpf-Buch von Astrid Lindgren. „… wie sie mir gefällt“.
Wenn es mir gefällt, auf zwei SP-regierte Bundesländer hinzuweisen, ohne das dritte zu erwähnen, dann tue ich das.
Wenn es mir ins Narrativ passt, dass dort, wo viel getestet auch mehr gefunden wird, dann mache ich das – egal, wenn es in der Vergangenheit entgegen dem Narrativ gestimmt haben sollte und verschwiegen wurde oder auch wenn es anders war.
Wenn ich betonen will, wie toll Bundesland XY testet (ohne zu erklären, dass dort immer noch Schultests mit dazugezählt werden), dann tue ich das.
Wenn die Zahlen immer an dem Wochentag höher sind, an dem es seit Monaten so ist und ich das nicht sagen will, dann verschweige ich es einfach.
Wenn sogar das BM für Gesundheit betont, dass EMS-Nachmeldungen anstehen, die die Zahlen erhöhen, ich das aber nicht sagen will, dann vergesse ich es.
Die Liste ließe sich beliebig fortführen…