Gab’s noch nie – oder doch?

Derzeit warnen viele Wetterdienste und Metereologen vor den nächsten Tagen bei uns in Österreich und auch Süddeutschland und Tschechien – und es kommt offensichtlich wirklich etwas in bestimmten Regionen Österreichs. „Schuld“ daran soll ein Tiefdruckgebiet sein, das sich über Norditalien bildet durch die kalte Polarluft, die uns erreicht in den nächsten Stunden. Und da sich dieses dann östlich um die Alpen herum verschieben wird oder soll, ensteht eine besondere Wetterlage, die für sehr viel Regen sorgen kann.

Unter anderem habe ich gelesen, dass es zu extrem starken Temperaturstürzen kommen wird, solchen, wie es sie noch nie gegeben haben soll. Das wollte ich genauer anschauen und habe die schon bei mir vorhandenen Daten der ZAMG (heute geosphere austria) genau durchforstet am Beispiel der einzigen Station in Österreich, die Daten bis 1755 zurück hat. An der Hohen Warte in Wien gibt es Temperaturmaxima allerdings erst seit 1855, daher starten die Daten „erst“ ab dort und zeigen einen Querschnitt durch fast 170 Jahre an Temperaturaufzeichnungen. Ich musste dabei auch drei Tage händisch entfernen aus dem 18. Jahrhundert, weil dort Schwankungen von mehr als 20 Grad von einem Tag auf den anderen dadurch entstanden wären, dass es im Sommer eine Maximaltemperatur von nur 2 Grad gehabt haben soll laut Daten. Da allerdings am Tag davor und danach die Temperaturen über 20 Grad lagen und auch die MINIMALtemperatur des Tages über 10 Grad lag, kann das nicht gestimmt haben. Irren ist menschlich… 😉

Nach Jahren

Oben sehen wir – in dem Fall für jedes Jahr seit 1855 für die Maximaltemperatur des Tages – die größte Differenz zum Vortag im Plusbereich. Das heißt zum Beispiel für das Jahr 1968, dass es einen tag gab, an dem es um 17,8 Grad WÄRMER war als am Tag davor.
Unten (blaue Kurve) ist dasselbe für die größten Temperaturstürze von einem Tag auf den anderen verzeichnet. Am extremsten war dieser im Jahr 1979, als es von einem auf den anderen Tag um 16,9 Grad kälter wurde!

Nach Tagen

Damit wir auch sehen, an welchem Datum solche Temperaturstürze oder -anstiege passiert sind, gibt es diese Grafik:

Wir sehen also, dass der stärkste Anstieg aller Zeiten am 16. Dezember passierte – und (obere Grafik) zwar im Jahr 1902. Damals war es demnach am 16. Dezember um 19,7 Grad wärmer als am 15. Dezember.
Das größte Minus von -16,9 Grad stammt vom 1. Jänner 1979, als es den Daten nach um 16,9 Grad kälter war als am 31. Dezember 1978.

Fazit

Wer sich die Kurven genauer anschaut, erkennt, dass es übers Jahr verteilt für jeden Tag einmal in den letzten 170 Jahren um mindestens 5 Grad kälter und auch 5 Grad wärmer wurde als am Tag davor. Während die Schwankungen in Sachen Anstieg der Tagestemperaturen übers Jahr gesehen in Wien offensichtlich im Winter stärker sind als im Sommer, gibt es keinen Trend zu stärkeren Schwankungen in den letzten Jahren, eher im Gegenteil. Im jahr 2024 gab es bisher einmal 12 Grad weniger als am Vortag und „nur“ 6,6 Grad mehr als am Vortag. Das ist übrigens bisher der niedrigste Wert aller 170 Jahre – es fehlen dabei allerdings noch vier Monate im Jahr, in denen sich das noch ändern kann.
Die erwarteten 10 bis 15 Grad an Temperatursturz gab es zuletzt 2021 (fast -15°C) und 2006 (-15,5°C). Ein Jahrhundert-Ereignis ist das Ganze also nicht, was die Temperaturen betrifft.
Wenn wir den September isoliert betrachten, sieht es etwas anders aus: Der bisherige Spitzenwert für den September sind -13,4°C am 18. September 2011 – damals kühlte es von 28,5 Grad am 17. September auf 15,1 Grad am nächsten Tag ab. Um jeweils mehr als 11 Grad kühler war es am 15. September 1867 und am 12. September 2012.
Ich bin gespannt, ob dieser September-Rekord geknackt wird in den nächsten Tagen! Apropos Tage: Interessanterweise gibt es derzeit nur Werte bis zum 1. September bei der geosphere austria für die Hohe Warte. Ich hoffe, dass das nicht „Einsparungs-Folgen“ sind und die Daten nur mehr monatlich aktualisiert werden… *zwnker*