Gestern habe ich was gepostet zu den Todeszahlen der Jahre seit 2000 in 5-Jahres-Altersgruppen – siehe hier. Dabei sind für die Pandemiezeit nur zwei Altersgruppen augefallen und die wollte ich mir heute genauer anschauen. Ich erspare euch hier bei meinem Beitrag die Sackgassen und Denkfehler, die ich mir dabei geleistet habe und komme gleich zum Wesentlichen. Es gehtum zwei Altersgruppen, die Menschen von 70 bis 74 Jahren und die, die mindestens 95 Jahre alt wurden vor ihrem Tod.
70-74 Jahre
Bei den Zahlenspielen vom letzten Beitrag zeigte sich, dass bei dieser Altersgruppe die Todesfälle pro 100.000 Menschen in Summe den zehnthöchsten Wert seit 2000 (also von 24 Jahren) aufweisen. Das erscheint zwar nicht viel, ist jedoch neben der unten genauer untersuchten Gruppe der Menschen ab 95 Jahren die EINZIGE Altersgruppe, in der „Corona-Pandemie-Jahre“ unter den obersten zehn zu finden sind.
Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mir die Zahlen dieser Altersgruppen genauer angesehen. Dabei war mir unter anderem wichtig, zu schauen, WANN in dieser Altersgruppe viele Menschen verstorben sind. Dazu gibt es Angaben seitens der Statistik Austria, die die Todesfälle bestimmten Kalenderwochen zuordnen.
Bei den 70-74-Jährigen sieht das so aus:
Links sehen wir die einem Jahr zugeordenetn Kalenderwochen (ca. alle 5 Jahre gibt es ein Jahr mit 53 Wochen). Oben ist das Jahr angeführt, aus dem die Summe stammt. Diese ist natürlich in jedem Jahr pro 100.000 Menschen berechnet, damit wir die Veränderung der Bevölkerungszahlen mit berücksichtigen. Ab 2002 habe ich dafür sogar die Qartalsangaben heranziehen können, in den Jahren 2000 und 2001 gibt es „nur“ einen Wert für den Jahresanfang und einen für das Jahresmittel.
Es fällt sofort auf, dass bis auf die Jahre 2020 bis 2022 nur drei Mal die höchsten Sterbezahlen (dunkelrot) im letzten Quartal des Jahres lagen: 2011, 2014 und 2017. Noch auffallender sind 2006 und 2007, wo dieser höchste Wert im Sommer erreicht wurde.
Wir sprechen hier insgesamt in dieser Altersgruppe von Werten zwischen 27 und 65 Todesfällen pro 100.000 Menschen.
Ebenfalls interessant ist diese Darstellung oben. Im Gegensatz zu weiter oben sind hier nicht die Werte eines Jahres gereiht, sondenr die Werte ALLER Wochen seit der ersten Kalenderwoche im jahr 2000. Wir sehen auf einen Blick, dass die Sterbezahlen pro 100.000 Menschen vor allem in den ersten 5 Jahren seit 2000 und auch dort meistens in den ersten 15 Kalenderwochen der Jahre am höchsten lagen. Nur der Jahreswechsel 2016 auf 2017 und eine Kalenderwoche im Jahr 2020 schafften es in den letzten 14 Jahren unter die Top 50 bei den Sterbezahlen in dieser Altersgruppe.
So sieht das Ganze aus, wenn wir alle Jahre als Linien darstellen. Es ist zwar durchaus erkennbar, dass es im Herbst 2020 und auch 2021 zu starkem Sterbegeschehen kam, allerdings sind die Werte WEIT unter denen anderen Wochen. Wie schon oben geschrieben: Nur die KW50 aus dem Jahr 2020 liegt unter den 50 Wochen, in denen es die meisten Todesfälle seit dem Jahr 2000 gab in Österreich bei den 70-74-Jährigen.
Menschen ab 95 Jahren
Nicht viele ÖsterreicherInnen schaffen es, mindestens 95 Jahre alt zu werden. Zu Beginn des Jahrtausends waren es nicht einmal 7.000. Ende des Jahres 2021 waren es mehr als 18.000 – amals wurde laut Statistik Austria mit 18.118 der Höchststan erreicht in dieser Altergruppe. Das sind mehr als zweieinhalb Mal so viele wie zu Beginn des Jahres 2001!
Alleine diese Tatsache ist mit ein Grund, dass die Sterbezahlen in Österreich steigen – denn wenn mehr Menschen ein so hohes Alter erreichen, gibt es auch mehr Tote, denn irgendwann sterben wir alle und je älter wir werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit des Todes.
So sehen die Jahre nach Sterbegeschehen in den einzelnen Wochen aus. Auch hier sind die höchsten Werte oft im ersten Quartal zu finden. Nur EINMAL liegt der höchste Wert im Sommer, das war 2007. Zu der zeit gab es in Österreich ein Hitzewelle mit Höchstwerten zwischen 37 und 40 Grad, nachdem Mitte Juli die Schneefallgrenze auf 1500 Meter gesunken war. Damit dürfte die Kombination aus sehr kühlem und dann plötzlich extrem heißem Wetter für viele ältere Menschen zum Problem geworden sein damals.
Neben dem Jahr 2020 und auch 2022 gab es in dieser Altersgruppe allerdings auch fünf weitere Jahre, in denen die meisten Todesfälle in den letzten Wochen des Jahres zu beklagen waren: 2002, 2010, 2011, 2014 und 2016.
Auch hier machen wir wieder einen Blick auf alle Wochen seit 2000. Wir sehen, dass vier Wochen der letzten 3 Jahre unter den „Top 20“ liegen, wenn es ums Sterbegeschehen geht. Einerseits waren das zwei Wochen im Herbst 2020 und die Zeit rund um Weihnachten 2022 – gefolgt von der ersten Woche des Jahres 2023. Vollkommen unauffällig war das Jahr 2021. Und im Jahr 2022 gab es auch im Frühjahr zwei Wochen, die immerhin unter den 50 Wochen mit den höchsten Sterbezahlen seit 2000 liegen. Wie auch bei den 70-74 Jahre alten Menschen liegen die meisten dieser „Top-20-Wochen allerdings zu Anfang des Jahres und am Anfang der Jahre seit 2000 (quasi „links oben“).
Auffällig sind auch noch die Jahre 2011 und 2019 – in beiden gibt es weder eine Woche, die zu den „Top 50“ zählt noch eine, die zu den 20 Wochen mit dem niedrigsten Sterbegeschehen zählen.
Auch hier wieder ein Blick auf die einzelnen Wochen in dieser Darstellungsform. Die „Herbstwelle 2020“ ist so besser zu sehen, liegt jedoch bei den Spitzenwerten unter denen der Wochen aus den Jahren 2017, 2005 und 2003 zurück.
Auffällig ist hier das Jahr 2022 (hellrot), welches bei sehr vielen Wochen einen der höchsten Werte für die jeweilige Woche erreicht.
War es Covid?
Ich wollte mir die letzten Jahre noch genauer anschauen und auch darauf achten, ob es in Zeiten mit erhöhter Sterblichkeit alleine der „Pandemie“ zugerechnet werden kann, dass mehr Menschen starben.
Zuerst ein Blick auf die Altersgruppe 70-74 Jahre: Oben in der Grafik ist die Summe aller Todesfälle pro 100.000 Menschen der Gruppe angeführt. Die schwarze gestrichelte Linie zeigt dazu als Vergleich den Mittelwert der Jahre 2000 bis 2019 – also den 20-Jahres-Schnitt vor der Pandemiezeit.
Wir sehen, dass nur in wenigen Wochen Werte über dem Mittel erreicht wurden – mit Ausnahme der Herbstwochen im Jahr 2020 und 2021 und den letzten beiden Wochen im Jahr 2022. Die allerhöchste Woche (KW 50 im Jahr 2020) habe ich beschriftet – damals starben in einer Woche 53 von 100.000 Menschen in dieser Altersgruppe in Österreich.
Ganz unten sind die entsprechenden Zahlen der AGES angeführt zu den Sterbefällen an und mit Corona.
VORSICHT!
Die Zahlen der AGES sind von der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre, das heißt hier sind deutlich MEHR Todesfälle erfasst, als es in der Gruppe der 70-74-Jährigen gewesen sind. Die Zahlen sind allerdings auch auf 100.000 berechnet in der entsprechenden Altersgruppe.
Wir erkennen hier, dass die Differenz zwischen „Schnitt“ und Höchstwert von 12 Todesfällen pro 100.000 genau dem entspricht, was offiziell an Covid-Todesfällen angeführt wurde.
Blicken wir auf die Altersgruppe der Menschen ab 95 Jahren, sieht das Ganz anders aus:
Auch hier stechen einige Wochen heraus, es gibt aber generell viel mehr Wochen mit einem überdurchschnittlichen Sterbegeschehen als bei den weit jüngeren Senioren, die weiter oben angeführt sind. Ab KW 40 gab es in den letzten drei Jahren nur eine einzige Woche im Jahr 2021, die UNTER dem Schnitt (pro 100.000 berechnet) der Jahre 2000 bis 2019 liegt.
Spitzenreiter ist wieder die Woche 50 im Jahr 2020 mit 1.154 Todesfällen pro 100.000 – das entspricht 1,15% aller Menschen im Alter von 95 und mehr Jahren in einer Woche! Die Differenz zum langjährigen Schnitt in dieser Woche beträgt mehr als 400 Fälle pro 100.000 – die (wieder nicht exakt passenden, weil es keine genauen Daten von der AGES dazu gibt) offiziellen Todesfälle von 174 pro 100.000 liegen hier um VIELES niedriger. Das heißt, dass im Jahr 2020 entweder die Todesfälle an oder mit Covid sehr oft nicht richtig zugeordnet wurden, oder, dass sehr viele Menschen nicht an oder mit Covid, sondern aus anderen Gründen verstorben sind in dieser Altersgruppe im Dezember 2020.
Schauen wir uns diese Zahlen für die einzelnen Jahre noch genauer an:
Im Jahr 2020 gab es noch viele Wochen mit „unterdurchschnittlichem Sterbegeschehen“ (grüne Balken nach unten). Die Covid-Wellen passen nur zum Teil zum erhöhten Sterbegeschehen. Wie schon oben angeführt, liegen die Zahlen pro 100.000 Menschen deutlich höher bei der Sterblichkeit, die so nicht erwartet werden konnte. Besonders interessant ist noch ein Fakt: Mit tand 1. September 2021, also etwa neun Monate NACH der Herbstwelle 2020, wurden seitens der AGES nicht wie zuletzt 174 von 100.000 als an oder mit Covid verstorben angeführt, sondern „nur“ 139 – das heißt, danach wurde dieser Wert noch um 25% nach oben korrigiert! Und „danach“ heißt in dem Fall frühestens neun Monate nachdem diese Menschen gestorben waren (bei den meisten Fällen wurde das sogar erst im April 2022 gemacht bei der damaligen „Um-Ettiketierung“).
Das Jahr 2021 startete mit einigen Wochen mit „Übersterblichkeit“ im Vergleich zum 20-Jahres-Mittel von 2000 bis 2019. Dann folgte eine Zeit mit weniger Todesfällen als zu erwarten gewesen wären. Ab KW 35, also dem September, gab es bis auf zwei Wochen wieder deutlich zu hohe Zahlen im Vergleich zum Ø.
Die (viele Monate später nachträglich nach oben korrigierten!) 75 Todesfälle pro 100.000 an oder mit Covid sind in etwa ein Drittel der überzähligen Verstorbenen. Diese reichen keinesfalls aus, um die erhöhte Sterblichkeit zu erklären.
Extrem sieht das Jahr 2022 aus. Nach den ersten 9 Wochen, von denen nur eine wirklich mehr Sterbefälle, als zu erwarten waren, zeigt, gibt es keum mehr Wochen, die unter dem Schnitt liegen. Mit 352 Todesfällen pro 100.000 Menschen mehr als im Schnitt Wird in der KW 51 der dritthöchste Wert der letzten drei Jahre erreicht, wenn es um Übersterblichkeit geht bei den Menschen ab 95 Jahren. Und 17 offiziell an oder mit Covid Verstorbene stellen hier nicht einmal mehr 5% aller Todesfälle über dem Schnitt dar!
Nach sehr langen Zeiten mit hohen Zahlen folgen meist auch wieder solche, in denen die Werte sinken. Das war – nach einem schlimmen Start ins Jahr im Jänner – auch 2023 meist der Fall. Allerdings unterbrechen überdurchschnittliche Wochen im April und Mai (als es sehr kalt war) und im Juli und in eienr Woche im September (als es sehr heiß war) diese „Entspannungsphasen“.
FAZIT
Mein Fazit zu diesen Zahlen? Schaut euch das Ganze bitte im Detail an, damit alle verstehen, was sie schon und was sie nicht zeigen. Einerseits sehen wir, dass sogar in den am stärksten auffallenden Altersgruppen in Sachen hohe Sterblichkeiten in den letzten drei Jahren nicht die Pandemie alleine verantwortlich gemacht werden kann an den hohen Sterbezahlen.
Was sonst der Grund dafür war und ist? Wohl eine Mischung aus vielem – und ebenfalls nicht alleine die steigenden Temperaturen oder das zunehmende Alter der Menschen. Denn wer vor 20 Jahren über 95 Jahre wurde, war damals genauso sehr alt, wie es die heute so ein hohes Alter erreichenden Menschen sind – oder?