Erkenntnisse aus dem Konventgarten

In Kremsmünster in Oberösterreich steht nicht nur das gleichnamige Stift, von dort gibt es außerdem auch ganz viele Wetterdaten, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Was diese Daten besonders interessant macht, ist der Ort, wo diese Daten gesammelt wurden. Es ist der so genannte „Konventgarten“, wo es auch eine Sternwarte gibt. Nachdem das Stift bereits 1777 gegründet wurde, gehe ich davon aus, dass die Daten von dort, die es seit 1874 gibt, eine sehr gute Qualität haben. Im Gegensatz zu manchen städtischen Mess-Stationen dürfte die Verbauung dort weniger stark gewesen sein.

Worum geht’s?

Ich wollte anhand dieser lückenlosen Aufzeichnungen, was die tägliche Durchschnittstemperatur betrifft, wissen, wie sich diese im Vergleich zu den Jahren davor entwickelt hat.

Diese Grafik dient mehr der Erklärung: Sie zeigt uns die 5-Jahres-Mittelwerte seit 1880 (graue Linien) – die letzten vier Jahre sind blau dargestellt. Die gestrichelten Linien zeigen hingegen keine Mittelwerte, sondern die Temperaturen der jeweiligen Einzeljahre 2020 bis 2023.
Ich habe für jeweils sieben Tage ab dem 1. Jänner jeden Jahres einen Mittelwert berechnet. Damit fallen extreme Einzeltage nicht so sehr aus dem Rahmen. Da 365(366) Tage etwas mehr als 52 Wochen sind, umfasst die letzte „Woche“ mehr Tage als alle anderen.
Wir sehen, dass die Temperaturen im Winter zwischen -8 und +3 Grad Celsius lagen in den letzten 150 Jahren, wenn wir den Schnitt aus fünf Jahren betrachten in jeder „Woche“. Im Sommer lagen die 5-Jahres-Mittel zwischen 17 und 23 Grad. Je dunkler die Linien sind, desto weiter zurück liegen die Jahre. Dadurch wird auch sichtbar, dass die dunklen Linien, die länger zurück liegen, meist eher unten zu sehen sind (vor allem im Winter) und die hellen sich eher weiter oben befinden. Das bedeutet, dass es tendentiell eher wärmer ist heute als vor 150 Jahren.

Unterschied zum Mittelwert

Nun folgen drei Grafiken, die die Abweichung vom Durchschnitt der Vorjahre zeigen für alle Jahre:

5 Jahre

Wenn es um den Unterschied zum 5-Jahres-Mittel geht, dann sehen wir Abweichungen von -13 bis +10 Grad. Besonders auffallend ist dabei die Abweichung in den Wochen 5 bis 7 im Jahr 1929, als es extrem kalt war oder auch die Woche 6 im Jahr 1933, die fast 10 Grad wärmer war als der Mittelwert der 5 Jahre davor.

Die letzten vier Jahre zeigen sich meist zwischen den Extremwerten der letzten 150 Jahre. Das Jahr 2023 (dunkelrot) weist in Woche 28 zusammen mit dem Jahr 1883 einen Spitzenwert mit fast 4 Grad über dem Schnitt. Ansonsten gab es keine Woche, in der die Temperaturen die höchsten aller Wochen darstellen. Die Jahre 2020 (einmal) und 2021 (zweimal) weisen Extremwerte bei den Abweichungen nach unten aus in einzelnen Wochen.

20 Jahre

Wenn wir statt der 5 Jahre davor auf 20 Jahre umstellen beim Durchschnitt, ist die größte Abweichung nach unten weiterhin die Woche 7 im Jahr 1929, als es fast 13 Grad kälter war als im Schnitt der 20 Jahre davor. In der Woche 3 im Jahr 1899 war es exakt 10 Grad wärmer als in den 20 Jahren davor – auch das ist ein Rekord.
Wenn wir wieder das laufende Jahr betrachten, gibt es zwar 4 Zeiträume, in denen die Kurven ganz weit oben zu finden sind, den Rekordwert zeigen diese jedoch nicht. Interessant ist, dass die ungewöhnlich warme Zeit rund um den Jahreswechsel 2022/2023 beim 20-Jahres-Schnitt viel mehr hervorsticht – das bedeutet, dass diese Zeit wohl vor allem in den letzten Jahren wärmer geworden ist. Es gibt keinen einizigen Zeitabschnitt in den letzten 4 Jahren, wo einer der 7-Tages-Zeiträume die extremste Abweichung aller Vergleichswochen aufzeigt.

30 Jahre

Weil bei Klimadaten meist 30-Jahres-Zeiträume herangezogen werden, habe ich auch diesen Vergleich dargestellt:

Wieder stechen unten die kalten Februarwochen von 1929 heraus, aber auch ein kalter Jänner im Jahr 1942. Nach oben ist die größte Abweichung jetzt die von 2007, wo es knapp mehr als 10 Grad zu warm war im zweiten Abschnitt, der sieben Tage umfasst, also kurz vor Mitte Jänner. Auch 1997 war es Ende Februar fast 10 Grad wärmer als im Schnitt der 30 Jahre davor. Ebenfalls interessant: 2018 war es Anfang März um mehr als 11 Grad kälter als in den 30 Jahren davor im Schnitt.
Das Jahr 2023 zeigt auch hier wieder einige Wochen, die sehr weit „oben“ liegen in Sachen Temperatur-Mittel aus 7 Tagen. In der KW 28 reicht es fast zum Spitzenwert und auch der ungewöhnlich warme Start in den Oktober fällt auf. Letzterer wird jedoch noch vom Jahr 1966 getoppt, als es fast 6,5 Grad wärmer war als im Mittel der 30 Jahre davor. 15 Wochen waren bisher im laufenden Jahr wärmer als im 30-Jahres-Mittel, die anderen 30 lagen über dem Schnitt.

Zum Abschluss noch eine interessante Grafik:

Wenn wir bei all diesen jahren aus den 7-Tages-Mittelwerten einen Jahres-Schnitt berechnen, dann sieht das so aus:

Vor 1988 gab es nur ein einziges Jahr, in dem die Abweichung nach oben mehr als 1 Grad betrug – das Jahr 1934 muss demnach besonders warm gewesen sein im Schnitt. Am kältesten übers Jahr gesehen war demnach 1940 mit fast 1,8 Grad Celsius weniger als die 30 Jahre davor. 1996 war das letzt Jahr, in dem es mehr als 0,5°C zu kalt war verglichen mit dem 30-Jahres-Mittel. Seit 2006 gab es nur mehr zwei Jahre, die kühler waren als das Mittel der 30 Jahre davor: 2010 und 2021. Wenn das Jahr 2023 in etwa so endet, wie es bis jetzt verlaufen ist, reiht es sich zu den 5 Jahren seit 1992 hinzu, in denen die Abweichung mehr als 1,5 Grad betragen hat. Am stärksten nach oben schlug das Pendel beim Jahr 1994 aus: damals waren es 1,86°C, die die Wochenabweichungen über dem 30-Jahres-Mittel lagen.

FAZIT

Die Aufzeichnungen aus Kremsmünster zeigen eindeutig, dass es seit 1988 viele Jahre gab, in denen es wärmer war als in den 30 Jahren davor. Da im 30-Jahres-Vergleich immer auch die letzten Jahre enthalten sind, zeigt so eine Reihe an zu warmen Jahren auch, dass diese Entwicklung weiter schreitet. Für ein neues „Rekordjahr“, was die Abweichungen zum 30-Jahres-Mittel davor betrifft, müsste es jedoch von jetzt bis zum Jahresende sehr warm werden. Lassen wir uns überraschen!

Abschließend noch eine Grafik, die das Jahresmittel aller Tages-Durschnitsswerte zeigt: Demnach ist das 20-Jahres-Mittel seit 1970 um etwa 2 Grad gestiegen. Und 2023 könnte das zweitwärmste Jahr seit Messbeginn werden nach dem Jahr 2018.