Darf’s ein wenig wärmer sein?

„Oliver, stimmt das, alle reden davon, dass der September der wärmste aller Zeiten war?“ So ähnlich lautete die Anfrage eines der Gastautoren in meinem Buch „3 Jahre Corona Schlagzeilen“ – und zwar schon Mitte September! Ich habe um Geduld gebeten und heute, nachdem es nun Zahlen bis Ende September gibt, habe ich sie mir angesehen.

Ich muss gestehen, ich war egoistisch und habe dabei die Zahlen aus Feldkirch, Österreichs westlichster Stadt genommen. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich nur etwa 20 Kilometer Luftlinie davon entfernt wohne und wissen wollte, wie es denn bei uns war. Der September alleine war mir dann „zu wenig“, daher habe ich versucht, das ganze Jahr 2023 bis zum 30. September zu analysieren.

Problem

Welche Daten nehme ich dafür? Bei der ZAMG finden sich nämlich verschiedenste Daten. Einerseits gibt es „t“ – das „Lufttemperaturmittel 2m“. Das wird so ermittelt, dass die Tagesmaximal- und Tagesminimal-Temperaturen zusammengezählt werden und daraus das Mittel erstellt wird. Mir persönlich gefällt das so nicht. In Deutschland habe ich gelesen, dass das Mittel aus dem Durchschnitt aller stündlichen oder zweistündlichen Messwerte erstellt wird. Haben wir nicht in Österreich.
Ich habe mich schlussendlich für „tmax“ entschieden. Das ist die Maximaltemperatur, die seit 1936 gemessen wird. Für die Jahre davor habe ich das Maximum der drei angegebenen Messwerte (7 Uhr, 14 Uhr und 19 Uhr) genommen – das ist fast immer 14 Uhr. Da die Jahre 1895 bis 1936 nicht wirklich warme Jahre waren, wie wir aus anderen, länger zurückreichenden Messdatenreihen wissen, spielt das keine große Rolle.

Vorgehensweise

Zuerst bin ich so vorgegangen: Ich habe für jeden Tag des Jahres die Maximalwerte aus den letzten 129 Jahren ermittelt und diese Werte mit denen des laufenden Jahres verglichen (violette Kurve in der Grafik):

Wir sehen (rot beschriftete Tage), dass es im Jahr 2023 in Feldkirch gleich 9 Tage gab, an denen ein neuer Tempoeraturrekord für den jeweiligen Tag aufgestellt wurde. Gleichzeitig habe ich noch dargestellt (orange und blaue Säulen), wie sehr die Tages-Maximal-Temperatur vom Schnitt der Maxima der letzten 5 Jahre abweicht.

Besonders auffallend sind für mich zwei Bereiche: Einerseits der extrem warme Jahres-Start, wo es gleich an den ersten beiden Tagen des Jahres 2023 mehr als 3 Grad wärmer war, als an allen anderen Tagen gleichen Datums seit 1895! Bis Mitte Jänner waren auch alle Tage wärmer als der Schnitt der letzten 5 Jahre davor.
Und zweitens war es ab dem 20 Juni oft sehr warm, 6 Tage in knapp drei Monaten lieferten weitere Höchstwerte bei den maxima in Feldkirch. Besonders auffällig war dabei die Zeit von Mitte August bis Ende September, wo es nur kurz nach dem 25. August eine längere kühlere Phase gab. Im Schnitt waren die Tage vom Jahresbeginn bis Ende September in Feldkirch um 0,4 Grad wärmer als im Mittel der Jahre 2018 bis 2022. An 23 Tagen betrug die höchste am Tag gemessene Temperatur mehr als 30 Grad. Das ist um ein Tag mehr als 2003 und 2022. Nur 2015 gab es mit 26 Tagen über 30 Grad noch mehr heiße Tage in Feldkirch.

Wenn wir die heißesten Monate seit 1895 als Vergleich heranziehen, dann war 2023 nur einer der neun bisherigen Monate ein neuer Spitzenreiter. Um 0,3 Grad hat es der September geschafft, den bisherigen Rekord von 1961 zu schlagen. Nur der Juni 2023 lag mit 0,7 Grad unter dem Spitzenwert vom Jahr 2003 und 0,1 Grad hinter 2019 ebenfalls unter den drei wärmsten Monaten seit 1895.

Extrem auffallend war 2023 der kalte April – 7,2 Grad war es dort kälter als im wärmsten April seit Beginn der Messungen in Feldkirch.

Wenn wir die Monatsmaximal-Mittel mit dem Schnitt der letzten 5 Jahre vergleichen, dann waren alle Monate außer Fabruar und April zu warm. Auffallend zu warm waren vor allem der Januar, der Juni und der September. Letzterer war um 3,2 Grad wärmer als der Schnitt der Jahre 2018 bis 2022. Verglichen mit dem Gesamtschnitt der letzten 129 Jahre war der September sogar um 5,7 Grad zu warm.

Wenn wir die drei ersten Quartale des Jahres betrachten, sieht es etwas anders aus: Jänner bis März waren in Summe minimal kälter als der Fünfjahresschnitt und 1,3 Grad kälter als das wärmste erste Quartal der Messgeschichte.
Im zweiten Quartal liegt der Wert genau im Schnitt der letzten 5 Jahre und dabei 2,4 Grad unter dem allerwärmsten Frühling (April bis Juni) seit 1895.

Historisches zu den Quartalen

Bleiben wir noch bei den Quartalen und betrachten diese im Lauf der Geschichte:

Das erste Quartal zeigt sich dann folgendermaßen: Nie war es wärmer, was die Maximaltemperaturen des Quartals betrifft, als 2023. Es fällt auf, dass es seit 2013 immer wärmer wird in den ersten drei Monaten des Jahres. Seit 1987 ist der 5-Jahres-Schnitt um mehr als 5 Grad gestiegen! Das gab es allerdings auch schon im Zeitraum von 1933 bis 1952 – damal dauerte dieser Anstieg jedoch nur 20 Jahre und nicht über 35 Jahre.

Bei den Monaten April bis Juni sieht es anders aus – die kleineren Schwankungen sind weniger ausgeprägt beim 5-Jahres-Schnitt. Wieder nahmen die Temperaturen von 1933 bis 1950 extrem schnell zu und stiegen um mehr als 4 Grad. Das ist mehr als der Anstieg von 1981 bis 2022. Trotzdem sind die Jahre 2020, 2021 und 2022 die wärmsten der Messgeschichte – 2023 war wieder etwas weniger warm.

Im Quartal 3 – quasi dem Sommer – gibt es drei starke Anstiege zu beobachten: Einmal wieder von 1933 bis 1953 – fast +3,5 °C. Der zweite Anstieg erfolgte von 1981 bis 1994 – fast drei Grad in 14 Jahren! Und der dritte Anstieg geht von 2002 bis 2023 und beträgt ebenfalls etwas weniger als 3 Grad. Mit 24,63 Grad war der 5-Jahres-Mittelwert für die Monate Juni bis September noch nie so hoch wie 2023. Das wärmste Einzeljahr war 2018 mit 26,3 Grad im Mittel der drei Monate.

Ein Quartal fehlt und noch für 2023. Der 5-Jahres-Schnitt ist dank steigender Werte der letzten Jahre nie höher gewesen als 2022 mit 11 Grad Celsius. Der Anstieg seit 1993 betrug etwa 2,5 Grad im 5-Jahres-Mittel. Das ist wieder weniger als im viel kürzeren Zeitraum von 1933 bis 1951, wo das 5-Jahres-Mittel um 2,7 Grad angestiegen ist.

FAZIT

In Feldkirch in Vorarlberg war der September der wärmste seit 1895 – wenn wir dafür die Tagesmaxima heranziehen. Entscheidend für die Höhe des „zu warm“ ist jedoch, womit ich es vergleiche. Verwende ich den 30-Jahres-Schnitt, dann ist die Abweichung deutlich gößer als beim 5-Jahres-Schnitt. Fakt ist: Wenn wir die ganzen Monate betrachten, dann war der September bisher der einzige Monat, der der „wärmste seit Messbeginn“ war. Alle anderen lagen unter den Rekorden der letzten 129 Jahre.

Blicken wir auf das Quartal, so gleichen sich die Werte mehr aus und es gibt nur mein einen Wert, bei dem 2023 voran liegt, nämlich wenn wir das dritte Quartal mit dem Schnitt der letzten 5 Jahre vergleichen. Den absoluten Höchstwert seit 1895 schaffte keines der bisherigen Quartale.

Persönlicher Schluss-Satz von mir: Auch wenn das Klima sich wandelt und die Temperaturen höher werden: den angenehmen September 2023 habe ich in guter Erinnerung – er war übrigens auch nicht zu trocken oder zu nass. Meine persönliche Lieblingszeit ist seit vielen Jahren der „goldene Herbst“ – den wünsche ich uns allen noch für weitere Wochen, bevor uns die kalte und dunkle Jahreszeit im Griff hat!

Und zu den Schlag-Zeilen mit „Wahnsinn, 29 Grad im Oktober“ noch etwas: Am 12. Oktober 1990 hatte es in Feldkirch 29,7 Grad – das war der wärmste Oktobertag seit Messbeginn 1895. Am 15. Oktober im gleichen Jahr hatte es noch einmal 29 Grad und auch am 13. Oktober hatte es damals 28,8 Grad!

Und am 4. Oktober 1966 gab es in Feldkirch ebenfalls 29 Grad… Ich will damit nicht bestreiten, dass es derzeit wärmer wird in Österreich – es gab allerdings auch schon früher 29 Grad und mehr in der westlichsten Stadt Österreichs. Und sicher auch anderswo…